vom 26.01.2024

Zwischen Haft und Heiterkeit

Das Frauenmuseum und seine charismatische Gründerin

Siegburg. Mit einer verwirrenden Fülle an Eindrücken kehrten die Mitglieder des Geschichtsvereins am Mittwoch aus der Bonner Altstadt zurück. Das 1981 gegründete und seinerzeit erste Frauenmuseum überhaupt hat inzwischen weltweit 59 Nachahmer. In dem alten Kaufhaus "Im Krausfeld" existieren künstlerische, historische, sakrale, ökologische und gastronomische Nutzungseinheiten in einem kunterbunten Mix. Ein versteckt liegendes Biotop, mehr Kulturzentrum als Museum.

Aus der JVA Vechta stammende Frauenkunst stand zunächst auf dem Besichtigungszettel der Siegburger. Durch das Malen, Zeichnen und Werkeln machen die inhaftierten Frauen, häufig erstmals im Leben, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Klingt abgehoben, meint das Folgende: Ich kann was. Ich kann was bewegen. Ein großes Pfund, um außerhalb der zehn Quadratmeter zurechtzukommen. 

Die Ausstellung zu Frauen hinter Gittern geht über das JVA-Projekt weit hinaus. Eine nach dem Zweiten Weltkrieg konstruierte, aber nie genutzte Guillotine zog angstvolle Blicke auf sich. Sie sollte einer Verbrecherin das Haupt abtrennen. Der Prozess und die Nachwehen zogen sich hin. Als die Vollstreckung angestanden hätte, war die Bundesrepublik geboren. In ihr war kein Platz mehr für das Köpfen oder den Strang. Die Guillotine ging nie in Gebrauch.

Der zweite Teil des Besuchs konnte kontrastreicher nicht sein. Museumsgründerin Marianne Pitzen führte persönlich auf die weibliche Seite des Bönnschen Fastelovends. Die Bonnas stehen im Zentrum einer zweiten aktuell laufenden Sonderschau. Die Bonner Karnevalsprinzessin wurde lange von Männern verkörpert, ehe die Nazis homoerotische Spielereien in der Tollitäten-Sphäre fürchteten und Frauen auf den Narrenthron setzten. Nach dem Krieg blieb es dabei, wobei sich die Rolle der Schönen spürbar wandelte. Bonnas früherer Tage schlossen sich der verbalen "Stimmungsmache" ihrer Prinzen folgsam an. Oder sie sparten sich eigene Beiträge ganz. Lächeln und schweigen - das war die langweilige Devise. Die moderne Bonna macht die Schnüss op, wie es ihr beliebt. 

Eine eigene Emanzipationsentwicklung durchliefen die Beueler Wäscherinnen, die Mitte des 19. Jahrhunderts gegen die gesellschaftlich verordnete Passivität aufbegehrten. Sie schufteten bis zum Umfallen, vertrauten den Herren der Schöpfung das weiß geschrubbte Ergebnis ihrer Hände Arbeit an. Was machten die? Sie belieferten die Kundschaft, sackten das Geld ein und verjubelten es in der Kneipe. Nicht nur an Karneval. "Nix da, wir jubeln selber", sagten sich die Frauen, etablierten Damenkomitees, machten den Donnerstag zu ihrer Weiberfastnacht. 

Marianne Pitzen hatte kaum geendet, da sprang der nächste Bonner V.I.P. hinter der Vitrine hervor. Der stadtbekannte Travestiekünstler Curt Dalander geht schon lange im Frauenmuseum ein und aus. Der Gläubige - "Ich bin schwul und ein rheinisch-römischer Katholik" - hat eine Kapelle im Haus eingerichtet, ausgestattet mit Resten der 1944 schwer beschädigten und zu Friedenszeiten abgetragenen Gertrudiskapelle. 

Drei Begegnungen an einem Tag, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Ausflugsherz, was willst du mehr? Die nächste Fahrt führt den Geschichtsverein am 13. März ins Schwebebahnmuseum Wuppertal. Informationen unter 02241/102-1282 oder gav@siegburg.de

Fotos (J. Gerull/ C. Thomas): Gitterstäbe der Gefängnisausstellung links, die charismatische Museumsgründerin Marianne Pitzen rechts. 

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Nogenter Platz 10
53721 Siegburg

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