vom 29.01.2024

Judentum in Siegburg

Große Resonanz auf Veranstaltungen des Erinnerns

Siegburg. Beschämend waren die Proteste, die hierzulande auf den Beginn des Nahostkriegs folgten. Beschämend deshalb, weil auf den deutschen Straßen, auf denen vor 80 Jahren die Deportations-Lkw rollten, nun im Gefolge des Nahostkriegs zur Vernichtung Israels aufgerufen wurde. Der Aufstand der Anständigen trägt das Hashtag-Kürzel #niewiederistjetzt! 

Zu erkennen ist seitdem ein gestiegenes Interesse an dem Teil der Siegburger Stadtgeschichte, der von der Ausgrenzung, Entrechtung und Vorbereitung der Vernichtung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger erzählt. Beachtliche Resonanz erfuhr schon am 9. November der Aufruf zum Gang des Gedenkens in Erinnerung an die Pogromnacht 1938. Für heute, 17 Uhr, lädt die Evangelische Allianz zur Holocaust-Mahnwache vor das Kaufhof-Gebäude. Einen erfreulich hohen Zulauf hatte am Samstag, als Deutschland der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz erinnerte, auch eine thematisch verwandte Veranstaltung im Stadtmuseum. Etwa 100 Personen hörten zu, als Historikerin Saskia Klemp und Kreisarchivarin Dr. Claudia Maria Arndt die Lebensläufe von Siegburgerinnen und Siegburgern vorstellten, die in Auschwitz endeten.

Vor dem Haus Holzgasse 28 liegen die Stolpersteine für den Lehrer Max Gottlieb und seinen Sohn Kurt. Spuren hinterließ Max Gottlieb in den Akten zum Lager Much, in dem die NS-Behörden zu Beginn der 1940er-Jahre Juden der Region zusammenzogen. Die Bewohner bevollmächtigen ihn, mit dem Kommunalverband des Siegkreises den Mietvertrag für die primitiven Baracken abzuschließen. 500 Reichsmark mussten sie monatlich zahlen.

Der schriftlich eingelegte Protest Gottliebs nutzte nichts: Die Lagerinsassen wurden vertraglich genötigt, die Aborte selbst zu leeren und die kostenlose Unterbringung von Maschinen der Gummersbacher Firma Elektra zu dulden. Trotz seiner kurzzeitigen Treuhänderfunktion für die Lagerinsassen blieb Gottlieb mit Ehefrau Helene und Sohn Kurt in Siegburg ansässig, erst in der Holzgasse, ab August 1941 im "Judenhaus" an der Brandstraße. Der Lehrer unterrichtete bis zu ihrer Auflösung am 30. Juni 1942 an der jüdischen Schule. Die Familie bestieg am 27. Juli 1942 den Deportationszug in Köln. Die drei Familienmitglieder überlebten zwei Jahre in Theresienstadt, ehe sie in Auschwitz ermordet wurden. Stolpersteine gibt es bislang für Max und Kurt, nicht aber für Helene Gottlieb.

Im zweiten Teil der Gedenkveranstaltung führte Stadtarchivar Jan Gerull durch die jüdische Abteilung des Stadtmuseums, hin zum bewegenden Abschiedsbrief der Ilse Fröhlich, die sich 20-jährig zusammen mit ihrem Freund Rudolf Marx erschoss, weil ihre Liebe den Rassegesetzen widersprach und unter Strafe stand. Betrachtet wurde das ikonographische Foto der Boykottaktion vor dem Kaufhaus Rhela an der Ecke Bahnhofstraße/Neue Poststraße. Hier agitierten schon am 1. April 1933 braune Horden mit "Kauft nicht bei Juden!"-Schildern. Vor zwei Jahren meldete sich ein in England lebender Enkel des Hals über Kopf geflüchteten Rhela-Inhabers Alfons Lewinski im Siegburger Stadtarchiv. Bis heute, so Gerull, gibt es rund zwei Dutzend Anfragen jährlich zum Schicksal der Siegburger Juden, gestellt von Forschern oder Nachfahren.

In seinem Grußwort wandte sich Bürgermeister Stefan Rosemann dem aktuellen Geschehen zu: "Das Gedenken an die Verfolgung der Juden im Dritten Reich ist in diesem Jahr verbunden mit der gesellschaftlichen Bewegung gegen rechts. Remigration ist das Unwort, gegen das wir uns wehren. Dass ein solcher Begriff und das, was an ihm hängt, überhaupt Teil des politischen Diskurses in Deutschland werden konnte, ist skandalös. Am Mittwoch, den 31. Januar, werden wir vor dem Museum, auf dem Markt, gemeinsam ein Zeichen setzen." Die Demonstration für die Demokratie beginnt um 18 Uhr. 

Foto (Claudia Maria Arndt): Das weltbekannte Auschwitz-Tor, durch das vor kurzem Elon Musk ging. Der Unternehmer sah sich mit Vorwürfen konfrontiert, auf seiner Plattform X, ehemals Twitter, antijüdischen Verschwörungstheorien Raum zu geben, worauf ihn der Verband "European Jewish Association" nach Auschwitz einlud. 

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