vom 05.01.2024

Goldene Ecke im Spiegel der Zeit

Untergang im ewigen Kampf zwischen Mammon und Tradition

Siegburg. Mehrfach fiel vor dem Jahreswechsel, als es in siegburgaktuell um die Feuerwerksverbotszone für Silvester ging, die Bezeichnung "Goldene Ecke". Dazu fragt uns Leser Dieter Schmidt: "Die Goldene Ecke in Siegburg war mir schon immer ein Rätsel. Wo genau ist die Goldene Ecke und warum heißt sie so?"

Die Begrifflichkeit bezieht sich auf eine Gastwirtschaft, die sich zur Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert dort etabliert, wo heute Schmuck vertrieben wird, also genau in der Biegung zwischen Markt und Kaiserstraße. Ab 1914 rattert die Straßenbahn vorbei. Im Zweiten Weltkriegs wird das ikonographische Bild einer jungen Frau aufgenommen, die, zusammenrollte Teppiche und ein Paket unter dem Arm, vor den alliierten Bomben von der zerstörten Goldenen Ecke zum Markt flüchtet.

"Brennende Ecke", so titelt die Rundschau 1954. Allerdings im automobilen, nicht im kriegerischen Kontext. Die Ecke Markt/Kaiserstraße/Holzgasse ist von einer Fußgängerzone so weit entfernt wie die Erde von der Sonne. Sie dient wegen ihrer Unfallträchtigkeit und der sich tummelnden Lenkrad-Rowdys als Negativbeispiel beim schulischen Wettbewerb "Jagd auf den Verkehrsteufel". Die Heranwachsenden verteilen rote Punkte für die Windschutzscheibe. Dahinter steckt die Aufforderung zur Langsamkeit, die heute in etwa so heißen würde: Chill mal, Digga! 

1962 nimmt sich Heimatautor Jupp Sieger in der Kölnischen Rundschau das Interieur der Schankstätte vor. Es geht um den Zusammenstoß zwischen seelenloser Moderne und Siegburger Heimeligkeit. Obwohl die Einrichtung vieler Gastronomien einen rein zweckmäßigen Charakter trage, lebe in der Goldenen Ecke das gute Alte fort, führt Sieger aus. Als Beweismittel herangezogen werden die blau-weißen Kacheln an der Wand, deren Motive ehrbare Handwerksberufe symbolisieren. Bäcker, Schmiede, Glaser, Metzger und Maurer haben ihren Platz. Ein Kachelbild zeigt den Michaelberg, womit ein jeder weiß: Mer sinn in Siebursch! 

Ein Trauerzug mit Sarg schiebt sich im März 1987 durch die Innenstadtstraßen und stoppt vor der Wirtschaft, die aufgehört hat, Wirtschaft zu sein. Die neun Jahrzehnte währende Kneipenzeit ist vorüber, eine Boutique steht in den Startlöchern, um zu übernehmen. Mit Mode eine höhere Miete, so erläutert ein großer Abschiedsartikel in der Rundschau den Siegburgern das einfach Kalkül. Die Botschaft, die die "Zeremonie der Zecher" aussendet, ist eindeutig: Unsere Goldene Ecke ist zum Opfer im ewigen Kampf zwischen Mammon und Tradition geworden! 

Foto: Hier noch Kneipe, aus dem Hahn sprudelt der Kölsche Kurfürst. Die Goldene Ecke im Juni 1984 mit Namensemblem über der Tür. Eine Bildergalerie zur Goldenen Ecke im Spiegel der Zeit über die Links. 

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