vom 03.08.2023

Landgraf verkündet Schuh-Aus

Früher schaute man sich im Geschäft nach Gurken um

Siegburg. Bis Ende 2024 will die Schuhkette Landgraf alle Filialen in der Region schließen, gibt "persönliche Schwierigkeiten" und "äußere Umstände" an. Auch das Haus am Siegburger Markt ist betroffen. Bürgermeister Stefan Rosemann kündigte in seinem Instagram-Kanal an, sich mit der stätischen Wirtschaftsförderung um eine "nachhaltige Weiternutzung der Geschäftsräume in exponierter Lage" einzusetzen.

Eingeläutet wird damit das Ende einer Schuhgeschichte, die im Jahr 1882 in der Holzgasse beginnt, wo Daniel Bleifeld den Betrieb gründet und wohl noch nicht ahnt, dass er eine Siegburger Marke aus der Taufe hebt. Er verkauft Maßschuhe und will seinen Kunden ans Leder, selbstverständlich ans kaputte Treterleder. Er dehnt sein Geschäft auf verschiedene Immobilien in der Holzgasse aus, die Nummer 60, 21, 25a und b gehören zum werdenden Bleifeld-Imperium. Schon der Patriarch ist mit einer fundamentalen Veränderung konfrontiert. Schuhe kommen mehr und mehr nicht mehr vom klassischen Schuhmacher, sondern aus der Industrie. Der handwerkende Unternehmer verschließt sich nicht. Fertigprodukte sind Teil seines Angebots. Dank Fleiß und Tüchtigkeit der Familienmitglieder, so heißt es in einschlägigen Chroniken, wächst der Umsatz. 

Aus dem Fleischwolf des Ersten Weltkriegs lebendig zurückgekehrt, übernehmen Daniel Bleifelds Söhne Karl und Wilhelm 1919 das elterliche Werk und setzen es fort. 1927 wird in Bergisch Gladbach Eröffnung einer Zweigstelle gefeiert, 1936 gibt es ein Schuhhaus in Kassel. In Detmold, am Fuße des Hermannsdenkmals, lässt man sich nieder. Die Objekte Holzgasse 7, 9 und 11 werden zum Siegburger Hauptquartier zusammengefasst. 

Nach einem knappen Jahrhundert des Bestehens erfolgt 1987 der Umzug an den Markt. 1.000 Verkaufsquadratmeter bilden das Haus der schönen Schuhe, das Ende 1992 vom Bonner Unternehmen Landgraf gekauft wird. 

Die Marke Bleifeld gilt lange als ein Indikator für die Anziehungskraft der Kreisstadt auf ihr Umland. Das verdeutlicht eine köstliche Anekdote, die Gründerenkel Helmut Bleifeld in der Sommerausgabe 2013 der "65er Nachrichten" zum Besten gibt: Seine Tante Cläre, eine vornehme Fabrikantentochter, schiebt aushilfsweise Dienst im Laden in der Holzgasse, als eine bäuerliche Familie aus dem Aggertal eintritt. Die Interessenten artikulieren sich und ihre Wünsche ausschließlich in Mundart. Sie möchten "eens no de Jurke luure" spricht der Landwirt die Frau aus bestem Hause an. Die schaut verdutzt und mit großbürgerlich verzogenem Mündchen, weil sie nix nichts versteht. Peinliches Schweigen breitet sich bleischwer aus, bis der bergische Mann schweren Schrittes in Richtung der Arbeitsschuhe stapft. Die Beratung durch die dortige Mitarbeiterin klappt reibungslos und sprachbarrierefrei. Als die Kunden kartonbeladen abziehen, will Cläre wissen, was denn das ominöse Gurkengucken bedeutet. "No de Jurke luure heißt so viel wie sich erstmal umschauen", wird Cläre aufgeklärt. Fotos: Standorte Markt, 2023, und Holzgasse, um 1970.

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