vom 04.07.2023

Fassungslosigkeit und Wut

Im Altenheim am Kleiberg soll die stationäre Pflege schließen

Siegburg. Ein Heimleiter, der selbst in der Küche steht und kocht. Eine knapp 100-Jährige, die sich auf einen weiteren Umzug vorbereiten muss. Ein noch sehr beweglicher Herr, Autor der 65er Nachrichten, der sich sein Fahrrad schnappt und bei sämtlichen Hennefer Senioreinrichtungen nach einer zukünftigen Bleibe fragt. Eine Dame im Rollstuhl, die elf Kinder geboren hat und mit leuchtenden Augen erzählt, wie sie einst in Berlin für einen Baron gearbeitet hat. Sie sagt trotzig: "Ich gehe hier nicht weg."

Die gestern im Seniorenheim am Kleiberg gesammelten Eindrücke wirken nach. Früher war die Diakonie verantwortlich, das Haus lange geführt vom unvergessenen Bundesverdienstkreuzträger Heinz-Willi Höver. Heute prangt das Schild "Visitatis" am Eingang. Die Einrichtung bzw. der Umgang mit ihr beschäftigen den Staatsanwalt.

Versammlung der Bewohner und Angehörigen gestern um 17 Uhr. Horst Thuro, der Leiter, muss den Stand der Dinge mitteilen, und dieser bedeutet die Schließung der stationären Pflege. 28 Frauen und Männer müssen sich etwas Neues suchen. 

Die Gründe: Der Gesellschafter, der laut Handelsregister in Bad Harzburg sitzt, leitet seit längerem keine Gelder mehr nach Siegburg weiter (wir berichteten). Die Pfleger/innen arbeiten ohne Bezahlung. Die Behörden suchten den vermeintlichen Firmensitz des Gesellschafters in der Glücksspielstadt am Rande des Harzes auf, fanden weder Klingelschild noch Postkasten. Er ist abgetaucht. Einschreiben der Arbeitsgerichte und der Heimaufsicht kommen ungeöffnet zurück. In diesem Zustand ist die Kündigung des Versorgungsvertrages unausweichlich. 

Wut und Ratlosigkeit über die Situation und die Gesetzeslücken, die zum Auszug führen, dominieren bei den Angehörigen. Kämpferische Entschlossenheit verdrängt die Resignation. Einzeln wollen die Söhne und Töchter der Untergebrachten Strafanzeige wegen Insolvenzverschleppung und versuchten Bankrotts zur zuständigen Braunschweiger Staatsanwaltschaft faxen. 

Kann nicht ein seriöser Betreiber einspringen und die Pflege übernehmen? Dieser potenzielle Übergang steht und fällt mit einem Insolvenzverfahren, wie Thuro, wie Bürgermeister Stefan Rosemann, Andreas Grünhage, Leiter des Kreissozialamtes, und der städtische Sozialdezernent Dr. Matthias Bamberger unisono betonen. Noch gebe es keinen offiziellen Insolvenzantrag, die Eigentumsverhältnisse sind, wie sie sind.

Bürgermeister Stefan Rosemann zeigte Verständnis für die Fassungslosigkeit und den Zorn der Beteiligten. Er selbst und sein erster Beigeordneter Dr. Bamberger waren in den letzten Wochen dauerhaft in Kontakt mit der Kreisverwaltung und der Einrichtung im Herzen der Stadt, obschon die rechtlichen Hintergründe keinerlei direkte Einflussnahme auf das Geschehen erlaubten. Die Stadt werde, so Rosemann, selbstverständlich alles daransetzen, dass ihre Bürger in Siegburg oder in unmittelbarer Nähe bleiben können, es liefen viele Gespräche. Anlaufpunkte sind auch übergeordnete Stellen. "Wir werden Druck auf den Gesetzgeber machen, dass sich diese Vorgänge nicht wiederholen."

Foto: Einrichtungsleiter Horst Thuro erklärt den Bewohnern und ihren Angehörigen die Zwangslage. Er arbeitet seit geraumer Zeit ohne Gehalt. Dahinter Bürgermeister Stefan Rosemann.

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