vom 20.06.2023

Wirtschaftskrimi aus dem 16. Jahrhundert

Wie die Siegburger Töpfer die Kölner Konkurrenz ausstachen

Siegburg. Unternehmen florieren, wenn sie den Mitbewerbern deren Könner abluchsen. Heute wie vor 500 Jahren. Diese Erkenntnis verbreitete Keramikexpertin Dr. Marion Roehmer in ihrem "Wirtschaftskrimi"-Museumsgespräch mit dem Titel "Bilderkannen jetzt auch aus Siegburg! Zum Transfer der Auflagentechnik von Köln nach Siegburg im 16. Jahrhundert".

Ab dem 15. Jahrhundert werden vereinzelt Weinbecher mit kleinen Verzierungen versehen. Man legt Tonplättchen auf die Wandung und versieht sie mit einem Blütenstempel. Nachdem sich Anfang des 16. Jahrhunderts in Köln die Steinzeugtöpferei etabliert hat, erwächst den Siegburger Töpfern eine starke Konkurrenz, die technisch viel weiter ist und die begehrten Auftragsarbeiten - einzelne Gefäße, geordert von reichen, meist adligen Interessenten - an sich zieht.

Die Dekore der Kölner Töpfer bestehen vor allem aus großformatigen Auflagen auf hohen Gefäßen, den Schnellen. Der Clou: Für diese bildhaften Reliefdekore beauftragten die Kölner Töpfer Formenschneider. Sie ziehen also die Kunst zurate, um den Absatz zu steigern. Die Herstellungspraxis bleibt zunächst ein Geheimnis, die Siegburger Töpfer müssen dem Kölner Siegeszug hilflos zusehen. 1552 ringt man sich in Siegburg zu der Erlaubnis durch, die begehrten Formenschneider in die Stadt zu holen und als "fremde" Handwerker in den Werkstätten mitarbeiten zu lassen. Die Schöpfer der Gefäßbilder sind so etwas wie der physisch präsente, kopfballstarke Vollstrecker im aktuellen Weltfußball. Es gibt nur wenige, jedenfalls wenige richtig gute. Und genau deshalb sind sie heiß begehrt. Siehe Haaland.  

Der erste namentlich fassbare Formenschneider in Siegburg ist Franz Track, der mit signierten und datierten Auflagen mehrfach belegt ist. Wie neue Forschungen vermuten lassen, wird er 1558 von dem Töpfermeister Peter Knütgen an die Aulgasse geholt. Knütgen lernt die Technik bei ihm, beherrscht sie als erster Siegburger überhaupt. 

Ein zweiter Transferschub ist 1569/70 fassbar. Anno Knütgen töpfert neue Formen nach Kölner Vorbild und verziert sie in Relieftechnik mit bis dato in Siegburg unbekannten Motiven, von denen einige nun im Vortag gezeigt wurden. Dies ist möglich, weil der wohl bekannteste Spross der Knütgen-Dynastie den Kölner Formenschneider Laurenz Wolter engagiert. 

Der Namensvetter unseres Stadtgründers ist ein Ehrgeizling durch und durch. Als erster und einziger Töpfer bekleidet Anno Knütgen in Vertretung des Herzogs von Berg das Amt des Untervogts von Siegburg (1564-1581). In dieser Eigenschaft sticht der Lateinschüler und prozessgewandte Mann heraus. Als Töpfer will er es gleich weit bringen. Da sich auf seinen Gefäßen auffällig häufig das Wappen von Berg befindet, ist sein Tun als Versuch zu werten, sich dem Herzog als hauptsächlicher Töpfermeister anzudienen, eine Art früher Hoflieferant zu werden. Hierzu konnte der Vortrag einige Beispiele stützend anführen. 

Mit Anno Knütgen endet der Wissenstransfer. Die Siegburger nehmen die Stelle der Kölner Töpfer in der Versorgung der reichen und angesehenen Familien ein, gerade auch im Fernhandel. Sie überholen die Domstädter, sind in Sachen Qualität und Quantität überlegen.

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