vom 26.04.2023

Siegburger starb in Sachsenhausen

"Berufsverbrecher nach Paragraf 175"

Siegburg. E-Mail vom Wolsdorfer Patrick Haas an das Siegburger Stadtarchiv. Haas hat im Netz eine Entdeckung gemacht: "Bei der Recherche zu Menschen, die während der NS-Herrschaft und der frühen Bundesrepublik aufgrund des damaligen § 175 im Siegburger Gefängnis eingesperrt wurden, bin ich auf Herrn Ballensiefen gestoßen, der in Siegburg geboren und im KZ Sachsenhausen ermordet wurde." 

Mit der Hilfe des Archivs lässt sich folgender Lebenslauf rekonstruieren. Johann Ballensiefen wird am 27. Mai 1870 auf dem Driesch als Sohn des Dachdeckers Jacob Ballensiefen geboren. Die Mutter heißt Anna Maria. Er zieht nach Niederschlesien, ist in der Gemeinde Hausdorf-Neurode ansässig. Zweimal ist er laut Geburtsurkunde verheiratet. Die zweite Ehe wird 1931 in Walditz bei Neurode geschlossen.

Sprung in die Nazizeit. Das Standesamt Oranienburg beurkundet am 30. November 1940 Ballensiefens Tod, der tags zuvor um 4 Uhr in der Frühe eintrat. Aus der Urkunde geht hervor, dass er geschieden war und an Herzschwäche im KZ Sachsenhausen (auf Oranienburger Stadtgebiet) verstarb. Abgegeben wurde die Meldung über sein Ableben von der Lagerleitung.

Das Archiv nimmt Kontakt auf zur Gedenkstätte Sachsenhausen, die weitere Angaben bereithält. Am 9. November 1940, also wenige Wochen vor seinem Tod, kommt der Friseur Johann Ballensiefen ins KZ. Er fällt unter die damalige Häftlingskategorie Berufsverbrecher, das Kürzel ist BV/175. 

175 ist der Paragraf, der Homosexualität unter Strafe stellt. Im KZ ist er die Nummer 34103, seine Pritsche steht im Block 36. Nicht einmal drei Wochen nach dem Lagereintritt stirbt der 70-Jährige und wird in Alt-Glienicke anonym in einer Urne beigesetzt. 

Der Friedhof in Alt-Glienicke ist der nächste Anhaltspunkt für die Recherche. Seit Kurzem entreißt eine gläserne Gedenkwand auf dem Friedhof die dort begrabenen KZ-Toten dem Vergessen. Zur Veröffentlichung in siegburgaktuell erhalten wir von Lothar Dönitz ein Bild des Gedenkeintrags für Johann Ballensiefen. Dönitz gehört dem Gesprächskreis Homosexualität der evangelischen Adventkirche Berlin-Prenzlauer Berg an und betreibt die Internetseite www.rosawinkelgedenkbuch.de. Was war der rosa Winkel? Weiterlesen!

Foto: © Lothar Dönitz, rosawinkelgedenkbuch.de.

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