vom 18.01.2023

Erklärung des Unbequemen

Neue Infotafel am Denkmal auf dem Markt

Siegburg. Das Ende des Deutsch-Französischen Krieges und die deutsche Reichsgründung jährten sich 2021 zum 150. Mal. In Siegburg hält das Denkmal auf dem Markt die Erinnerung an die Ereignisse 1870/71 wach. 

Die beiden miteinander verbundenen Epochenmarker gehören ebenso wie das Siegburger Denkmal in die Kategorie "unbequem". Das Jubiläum lief ohne Jubel ab. Auf die Kaiserreichsgründung wird heute vielfach kritisch geblickt. Erst vor wenigen Wochen nannte das Auswärtige Amt in Berlin seinen Bismarcksaal in "Saal der Deutschen Einheit" um, hängte ein großes Porträt des Reichskanzlers ab und verfrachtet es jetzt in die Außenstelle nach Bonn.

Seit 2021 wird auch in Siegburg wieder über das Denkmal und seine Aussagen diskutiert, wenn auch weit weniger konfrontativ als noch vor ein oder zwei Generationen. Es gab einen Bürgerantrag auf Einrichtung einer dauerhaften friedenspolitischen Ausstellung am Denkmal. Es gab ein Museumsgespräch zum Thema Militarismus und Monarchismus im Kaiserreich mit dem Kriegerdenkmal im Zentrum. Es gab dann 2022 einen Stadtratsbeschluss, 2.000 Euro für die Errichtung einer Infotafel bereitzustellen. Die Erklär-Stele steht mittlerweile, gestern weihte Bürgermeister Stefan Rosemann sie ein, freute sich über diesen neuen Ort der Wissensaufnahme ganz nah am bronzenen Stadtmodell. "Die Geschichte wird nun besser verständlich." Für den Inhalt zeichnete Stadtarchivar Jan Gerull verantwortlich. Die Gestaltung übernahm der Grafiker Eric de Corné, der schon vergleichbare Geschichtsstelen zum tödlichen Zwangsarbeiterbeschuss 1945 auf der Kaldauer Hauptstraße oder zu Engelbert Humperdinck am Michaelsberg entwarf. 

Das Denkmal wurde am 18. August 1877 enthüllt. Am Sockel sind die Namen der 168 Toten des Siegkreises zu lesen, die in den Einigungskriegen 1866 gegen Österreich und 1870/71 gegen Frankreich starben. Das Denkmal besaß überörtliche Relevanz und trug der Funktion Siegburgs als Kreismittelpunkt Rechnung. Es kostete 20.000 Goldmark, die Bevölkerung finanzierte es maßgeblich mit. 

Treibende Kraft hinter der Errichtung war der Kameradschaftliche Verein, im Jahr 1866 von aus dem Feld zurückgekehrten Siegburger Soldaten im Überschwang des Sieges von Königgrätz gegen Österreich gegründet. Der Präsident des Vereins, Justizrat Wurzer, agierte als Zeremonienmeister der Einweihung 1877. Die Kameraden waren nicht die einzige Gemeinschaft, die im Kaiserreich regelmäßig zu Füßen der Viktoria Aufstellung nahm. Auch Turner, Schützen und Gesangvereine marschierten am Denkmal auf, bevorzugt zu Stiftungsfesten, zum Kaisergeburtstag oder zu Jahrestagen siegreicher Schlachten. Die Einweihung fand statt am siebten Jahrestag der "Schlacht von Gravelotte", eines besonders blutigen Kampfes im Deutsch-Französischen Krieg. Das Denkmal gab einer militaristischen, nationalistischen und nicht zuletzt monarchistischen Grundhaltung der Entstehungszeit Ausdruck, einem Charakter also, den es im Zeitalter der deutsch-französischen Freundschaft zum Glück verloren hat. 

In der nächsten Woche ist Jacques Martin, Bürgermeister unserer Partnerstadt Nogenter-sur-Marne, auf Einladung des frankophilen Gymnasium Alleestraße zu Gast in Siegburg. Zusammen mit den Schülerinnen und Schülern sowie Bürgermeister Stefan Rosemann feiert er einen freudigen, also ganz bequemen Jahrestag. Vor 60 Jahren reichten sich Adenauer und de Gaulle mit dem Élyséevertrag die Hand und begruben die Erzfeindschaft ihrer Nationen. Foto: Bürgermeister Stefan Rosemann (r.) und Stadtarchivar Jan Gerull. 

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53721 Siegburg

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