vom 12.01.2023

Baden unterm Hakenkreuz

Stadtarchiv: Warum Papierentsäuerung so wichtig ist

Siegburg. Eingefroren, um möglichen Schädlingen der Garaus zu machen. Dann sorgsam chemisch gebadet. Schließlich vakuumgetrocknet und rückgeliefert. 218 Kartons mit genau 792 Akten kehrten gestern nach Siegburg heim. Das Stadtarchiv hatte sie dem Landschaftsverband Rheinland anvertraut, der das Papier entsäuerte, um es länger haltbar zu machen. Es war nicht das erste Mal, dass die Stadtgeschichte zur Reha geschickt wurde. Seit 2019 erfuhren 710 Kartons eine grundlegende Behandlung. Die Massenentsäuerung ist zu 60 Prozent gefördert. 

Ein Beispiel aus dem Inhalt der jüngst aufbereiteten Dokumente: Am 9. Mai 1933 schreibt der Nazi der ersten Stunde und zu diesem Zeitpunkt kommissarische Siegburger Bürgermeister, Wilhelm Ley, an das Braune Haus in München, Sitz der NSDAP-Kanzlei: "Wir haben mit Erwerbslosen und Wohlfahrtsempfängern unlängst mit der Herstellung eines Strandbades an der Sieg begonnen. Unser Bestreben geht nun dahin, dieses Strandbad mit dem Namen des Parteigenossen Prinz August Wilhelm von Preußen zu verbinden."

Dieselbe Akte, das nächste Blatt, schreibmaschinenbeschrieben elf Jahre und einen Monat später, im Juni 1944. Die Fliegerangriffe auf die Kreisstadt nehmen zu. Zu lesen ist folgender Vermerk: "Im städtischen Strandbad baden an warmen Tagen durchschnittlich 500 Personen. An heißen Tagen sind bis zu 1.000 Personen anwesend. Im Keller des Strandhauses können bis zu 100 Personen Schutz suchen. Alle übrigen Personen sind schutzlos. Da die Voraussetzung zum Schutze der Badenden nicht gegeben ist, muss das Strandbad in diesem Jahr geschlossen bleiben." 

Ein Dreivierteljahr später werden die einrückenden Amerikaner die Wolsdorfer aus den Häusern holen und an eben jenes Strandbad führen, wo sie eine ungemütliche Aprilnacht verbringen. Die GI's durchsuchen derweil die Häuser nach versprengten Wehrmachtsresten. Das Nachtlager am Wasser bleibt den Zeitzeugen lebenslang in Erinnerung.

Foto links: Archivarin Jenny Ley nimmt die entsäuerten Akten entgegen. Foto rechts: Baden unter parteilicher Aufsicht im Strandbad, Mitte der 1930er-Jahre.

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