vom 25.01.2023

Aussöhnung nach dem Mittagsschlaf

Das größte Wunder des 20. Jahrhunderts in Wort und Bild

Siegburg. Die älteren Semester aus dem Gymnasium Alleestraße treten am Dienstagvormittag an zur politischen Bildung im Stadtmuseum. Die Konrad-Adenauer-Stiftung lädt zum bild- und videogestützten Vortrag "60 Jahre Élyséevertrag", dem gelingt, was der Geschichtsvermittlung an 16-Jährige nicht immer gelingen vermag. Er fesselt.

Referent Ingo Espenschied, als gebürtiger Mainzer ein Kind des Rheins, springt von einer Seite des Stroms zur anderen. Er schüttelt mehrere historische Details aus dem Ärmel, die selbst Kennern der deutsch-französischen Verwicklungen Mehrwert verschafft.

Deutschland, Land der Dichter und Denker
Das Bild vom intellektuell-verträumten Deutschen erfinden und nutzen die Franzosen bis lange ins 19. Jahrhundert. Als die Nachbarn, die man irgendwo zwischen Goethes verliebtem Werther und Eichendorffs liebenswürdigem Taugenichts verortet, 1870 plötzlich in Gestalt der pickelhäubigen Preußen im Land stehen, wird der Begriff "allemand barbare" geboren. Übersetzung nicht notwendig. 

De Gaulle und Adenauer, natürliche Partner?
Die beiden Staatenlenker de Gaulle und Adenauer, die am 22. Januar 1963 per Élyséeunterschrift ihren Bevölkerungen den Auftrag erteilen, aufeinander zuzugehen, haben einen problematischen Beziehungseinstieg.

General de Gaulle, nach einer politischen Rückzugsphase wegen des Algerienkriegs reaktiviert, ist das von Adenauer beförderte westeuropäische Einigungswerk der 50er-Jahre mit Montan-, Atom und Wirtschaftsgemeinschaft suspekt. Frei nach dem Motto: Was hat Frankreich davon? Als Adenauer 1958 auf dem Landsitz de Gaulles im Nordosten Frankreichs zu Gast ist, die Frau des Hauses Häppchen serviert hat und der Mittagsschlaf gehalten ist, verstehen sich die älteren Herren prächtig. Angeblich gesteht de Gaulle: "Ich darf es hier niemals laut sagen, aber ich habe die Deutschen immer bewundert." Spricht der, der in zwei Weltkriegen gegen die Deutschen kämpfte. Vorträger Espenschied: "Europa war der Kontinent der Kriege, der Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Nun geschieht das Wunder der Aussöhnung."

General bejubelt wie ein Popstar
Die Episode ist legendär in Siegburg. Bei seinem Deutschlandbesuch im September 1962 landet de Gaulle in Wahn, fährt durch die Kreis- in die Bundeshauptstadt Bonn. Bürgermeister Heinrichs hält lampenfiebrig Gastgeschenke in den Händen, will den Tross stoppen, doch der Konvoi düst vorbei. 

Die Bilder aus jenen Tagen sind an Emotionalität kaum zu übertreffen. Die Visite wird zu einem einzigen Triumphzug. Im Schlosshof von Ludwigsburg spricht der Franzose auf Deutsch zur deutschen Jugend. Den Auftritt hat er stundenlang geprobt. Im sonst so reservierten Hamburg durchbricht die begeisterte Menschenmenge die Absperrung. De Gaulle ist umringt vom schäumenden Überschwang, schüttelt Hände im Sekundentakt, tätschelt Kriegsversehrten den Kopf. Europa wächst zusammen, weil Europas größte Staaten Frieden schließen. 2.400 Städtepartnerschaften gibt es heute. Sehr aktive, weniger aktive, alle geben Zeugnis von einem Märchen, das es so kaum ein zweites Mal geben dürfte.

Ukraine und Russland
Bürgermeister Stefan Rosemann (Foto) hat bei seiner Begrüßung der Schülerinnen und Schüler die Gegenwart im Auge: "Auch zwischen der Ukraine und Russland wird es irgendwann zur Annäherung kommen müssen. Das wird ein sehr schwieriger, sehr langwieriger Prozess."

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