vom 19.12.2022

Von der Mutter aller Bildungsschocks ...

... zum Bildungsort in XL

Siegburg. Weit vor PISA, vielleicht die Mutter aller Bildungsschocks: Zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schlägt der Forscher Georg Picht in seiner Studie "Die deutsche Bildungskatastrophe" Alarm. Unterentwickelt ist das höhere deutsche Schulwesen. Gerade einmal 24 Prozent schaffen es in Schleswig-Holstein zur Mittleren Reife. Damit ist der Norden bundesdeutsche "Spitze", wenn man denn von Spitze reden will. In NRW sind es nur 11,5 Prozent!

Sein Museumsgespräch am Donnerstagabend mit dem Titel "60 Jahre Realschule" eröffnete Stadtarchivar Jan Gerull mit diesen eindrücklichen Zahlen. Im Siegkreis zeigt sich das deutsche Bildungsfiasko besonders deutlich: 1960 besuchen von 100 Schülerinnen und Schülern eines Jahrgangs 82,71 Prozent die achtklassige Volksschule, 12,51 Prozent das Gymnasium, nur 4,78 Prozent die Realschule. 

1962 geht in Siegburg die Realschule an den Start. Ihr Schicksal wird mit dem Jungengymnasium verknüpft. Wenn das Gymnasium aus den beengten Verhältnissen an der Humperdinckstraße 27 (heute VHS-Studienhaus) in einen Neubau zieht, kann die Realschule diesen innerstädtischen Standort übernehmen, quasi als Nachmieter. Anfangs dachte man, nur vier bis fünf Jahre in Interimslösungen verweilen zu müssen, bis im Jungengymnasium der Platz frei wird. Daraus werden fast anderthalb Jahrzehnte der Wanderschaft. Man beginnt nach Ostern 1962 mit zwei Klassen in der Evangelischen Volksschule Humperdinckstraße ("Humperdinckschule"), nimmt nachfolgend alle zentrumsnahen Schulbauten in Beschlag. Innere Stadt und Alleestraße, Berufsschule in der Zeughausstraße, das evangelische Gemeindehaus in der Annostraße, am Tierbungert aufgestellte Pavillons und Büroräume des Warenhauses "Co-Center" am Zanger Siegdamm sind Ende der 60er und Anfang der 70er Lernorte. Beim Umzug ins angesprochene Jungengymnasium, welches 1971 endlich frei wird, helfen belgische und deutsche Soldaten in einem gemeinsamen Einsatz. Schulleiter Otto Treptow scheint gute Connections in die Truppe(n) zu haben. 

Parallel wird umgeplant. Ein eigenes Gebäude am brachliegenden, leicht sumpfigen Neuenhof soll die Realschule erhalten. Nach der Schulreform von 1968, die die Volksschule in eine Grund- und eine Hauptschule trennt, kommt es zur Planänderung: Die Hauptschule am Seidenberg geht mit in den Komplex, ein Schulzentrum wächst. Oben ein Foto von der schlaghosigen Einweihung 1976. 

In den Jubel um das erfolgreiche Großprojekt mischt sich schnell Ernüchterung. "Kaum eröffnet, schon zu klein" - so oder so ähnlich lauten die Überschriften in den Zeitungen. Die Ausmaße sind gewaltig. 1.100 Schülerinnen und Schüler besuchen 1977/78 allein die Realschule. Erst als Lohmar und St. Augustin eigene Einrichtungen gründen, entspannt sich die Situation. 

Nach Beendigung des historischen Vortrags geriet das Museumsgespräch im Museumsforum zum Klassentreffen. Ein Premierenrealschüler, Altbürgermeister Franz Huhn, erinnerte sich an die Aufnahmeprüfung, die sein gleichnamiger Vetter und er bestehen mussten und die die ganze Familie in helle Aufregung versetzte. Hermann Becher, Rektor von 1978 bis 2000, sprach von den anfänglichen pädagogisch-organisatorischen Herausforderungen an der neuen XL-Bildungsstätte. 

Das Jubiläum 60+1 feiert die Realschule am 28. April 2023 im Rhein Sieg Forum.

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