vom 15.11.2022

Geschichte der Siegburger Synagoge

VIPs bei der Einweihung, Voyeure beim Pogromnachtbrand

Siegburg. 50 Zuhörerinnen und Zuhörer lauschten dem Museumsgespräch über die Siegburger Synagoge. Das freute die Referentin, Kreisarchivarin Dr. Claudia Maria Arndt. Das freute auch die veranstalteten Institutionen, das Stadtmuseum und den Geschichtsverein, die nicht ohne Grund für den 10. November eingeladen hatten. Am 10. November 1938, frühmorgens um 5 Uhr, brannte die Synagoge aus. 

Claudia Arndt beschrieb folgenden Prozess in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Der Betraum für die jüdische Gemeinde, wohl ein Anbau an die Holzgasse 10, bietet den Gläubigen kaum mehr genug Platz. Rund 100 Personen umfasst die Gemeinschaft, zur Teilnahme an der Liturgie strömen auch Juden aus Troisdorf und Lohmar ins Siegburger Zentrum. Das hat den Effekt, dass die Versammelten sich "wie Bücklinge", so zeitgenössische Quellen, zusammenquetschen müssen. Die Verhältnisse sind derart beengt, dass der Kreisphysikus den Zeigfinger hebt, vor krankheitserregenden Ausdünstungen warnt. 

1841 wird auf maßgebliches Betreiben des Gemeindevorstehers Isaac Abraham, der sich wenig später Isaac Bürger (Namenspate der Straße auf der Zange) nennen sollte, die weitaus stattlichere Siegburger Synagoge errichtet. Sie ist in ein paar Schritten über einen schmalen Zuweg von der Holzgasse zugänglich, vereint den romanischen und den orientalischen Baustil. Unter dem breiten Satteldach fallen die ausgeprägten Rundbogenfenster ins Auge, deren gefärbtes Glas dem Innenraum einen konstanten Blaustich verleihen. Die Synagoge passt sich in der Höhe der Umgebungsbebauung an. 

Prunkvoll-feierlich die Einweihung am 22. Oktober 1841. Landrat und Bürgermeister sowie Honoratioren der Stadtgesellschaft folgen dem Bonner Oberrabbiner Dr. Aaron Auerbach und den sage und schreibe sieben Thorarollen, die in einer von Salutböllern begleiteten Prozession über den Markt in den Neubau getragen werden. Wenn es noch eines zusätzlichen Beweises für den hohen Grad der jüdischen Anpassung und Integration brauchte: Gepredigt wird an diesem Festtag in deutscher Sprache. Die Juden sind in der Folge mehrheitlich bemüht, die besseren Deutschen zu sein, um jeden Argwohn zu zerstreuen. Bei Weltkriegsbeginn 1914 unterstreichen sie mit Sondergottesdiensten ihren Patriotismus 

Gänzlich entgegengesetzt zum Eröffnungsjubel 1841 die Situation in der Pogromnacht 97 Jahre später. Die SA bildet an jenem Morgen des 11. November 1938 eine Kette um die zuvor angesteckte Synagoge, hindert die Feuerwehr daran, einzugreifen. Pfuirufe soll es von überraschten und erzürnten Siegburgern in Richtung der braunen Schergen gegeben haben. Anderseits ist überliefert, dass der Lehrer einer nahen Schule einen spontanen Ausflug anberaumt, um seiner Klasse stolz die antisemitische Untat zu präsentieren. 

Bürgermeister Eickhoff setzt im nächsten halben Jahr alles daran, das Areal der Ruine zum Parkplatz für Automobile zu machen. Der Rat nickt das Vorhaben im Juni 1939 ab. Es kommt, wie es kommen muss: Der ausgehandelte Kaufpreis liegt weit unter der noch auf dem Grundstück lastenden Schuld. Die Stadt erhält den gewünschten Parkplatz, um es sarkastisch zu sagen, "kostenneutral".

Großes Foto (Stefanie Kemp): Dr. Claudia Maria Arndt beim Museumsgespräch am Donnerstagabend. Klein eingeklinkt: Das Siegburg-Gemälde von Alfred Wegelin aus dem Jahr 1845 zeigt die Synagoge als zentrales Gebäude in der Seitenansicht, Bildmitte.

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