vom 26.04.2022

War Ludwig II. gaga oder großartig?

Bayrisches Trauma mit Siegburger Beteiligung

Siegburg. Fast 100 Millionen Euro teuer, direkt an der Donau gelegen, kurz vor der Pandemie eröffnet. Ein brüllender Oktoberfest-Löwe empfängt im Haus der bayrischen Geschichte in Regensburg. Es präsentiert den Bayern und der Welt den bayrischen Blick auf die Bayern. Und die Welt. Multimedial-modern, schelmisch-anekdotisch, grantelnd-eigensinnig. Wie man sie kennt, im deutschen Süden. 

Ein Teil der Ausstellung, in der man "keinen Hosenknopf, geschweige denn ein Trafo der mythischen Modelleisenbahnbahn" des Auftraggebers Horst Seehofer findet (Zitat der Süddeutschen Zeitung), beschäftigt sich mit einem unüberwundenen bajuwarischen Trauma: dem Untergang des Märchenkönigs Ludwig II. im Starnberger See anno 1886. 

An eben dieser epochalen Stelle der bayrischen Historie kommt Siegburg ins Spiel. Mit Ludwig versank nämlich Bernhard von Gudden, sein Leibarzt, in den Fluten. Er hatte in der Siegburger Irrenheilanstalt auf dem Michaelsberg sein Handwerk von Maximilian Jacobi gelernt und es später am Kronenträger von Neuschwanstein konsequent angewendet. Von Gudden erklärte in einem Gutachten, das er kurz vor dem Tode der Männer zusammenstellte, den Monarchen für nicht zurechenbar und deshalb für regierungsunfähig.

Was macht nun das Museum daraus? Es rekonstruiert mittels einer Seekarte mit kriminalistischer Hingabe den Showdown zwischen dem wirren Regenten und seinem Doktor. Hier ein Kreuzchen für den Kampf, der höchstwahrscheinlich stattfand. Dort ein Kreuzchen für die Leichenfundorte. Interessant: Die Macher heben ab auf einige Passagen des Gutachtens, in denen von Gudden die träumerischen Anwandlungen des Wittelsbachers als Belege für dessen geistige Defizite ins Feld führte. Ludwig II. verlangte von seinen Ingenieuren nicht weniger als die Entwicklung einer Flugmaschine, um ihn schwebend von einem Ufer des Alpsees zum anderen zu befördern. Weitere Untergebene waren damit beschäftigt, das strahlende Blau der weltberühmten Grotte auf Capri zu imitieren, sie reisten eigens auf die süditalienische Insel.  

Alles Spleens und Spinnereien, mangelnde Bodenhaftung? Im Haus der bayrischen Geschichte deutet man das naturgemäß anders. Ludwig II. erscheint als Visionär. Der Flieger, den er wollte, müsse man vor dem Hintergrund der Abhebe-Experimente des ausgehenden 19. Jahrhunderts sehen. Otto Lilienthal, der Flugpionier, lebte zeitgleich. Und das Grottenblau? Dahinter steckt moderne Chemie, die in der Lage ist, jeden Farbton der Welt herbeizuzaubern. Frei nach dem späteren Motto von Franz Josef Strauß habe sich Ludwig zwischen Laptop und Lederhose bewegt und in gewisser Weise dem Technikzeitalter den Weg geebnet. Merke: Auf den Blickwinkel kommt es an ...

Kontakt

Stadtverwaltung Siegburg
Nogenter Platz 10
53721 Siegburg

+49 2241 102-0
+49 2241 102-1284
rathaus@siegburg.de
https://siegburg.de

Newsletter

Anmeldung
Jetzt für unseren täglichen Newsletter anmelden.


Newsletter-Archiv

Oben