vom 12.02.2022

20 gegen 500

siegburgaktuell nahm Einsicht in Hitlerjugend-Akte

Siegburg. Wo genau lag das Hitlerjugendheim, von dem unlängst im Siegburger Kalenderblatt die Rede war? Das fragten sich die Newsletterleser, in den Sozialen Medien wurde das Thema aufgegriffen. Die Fahndung in den Stadtarchivbeständen endete bei einer Akte aus der Zeit 1933 bis 37, die sich zum Hort der HJ ausschweigt, aber das vom Führernachwuchs gestiftete Chaos veranschaulicht. So läuft es nämlich häufig in der Archivarbeit. Man sucht das eine, findet das andere ...

Zurück zur HJ, hinein in die Akte. Ins Visier nehmen die Hitlerjungen 1933/34 die beiden katholischen Jugendorganisationen, den "Bund Neu Deutschland" und den "Katholischen Jungmännerverein". 

26. November 1933: Ein bunter Festabend der Katholiken mit umfangreichem Bühnenprogramm ist angesetzt. 500 Personen strömen ins Kolpinghaus an der Ringstraße. Plötzlich Ärger im Kassenbereich. 20 Uniformierte der HJ drängen hinein, ohne zu zahlen. Es kommt zum Disput, der erst durch das Einwirken der Kapläne Breuer und Laumen beigelegt wird. Vorerst. Die HJ zahlt widerwillig, nimmt geschlossen an einer Seite des Saales Platz. 

Die Eindringlinge pfeifen, unterhalten sich lauthals, stören die Darbietungen. Beide Parteien erhalten Verstärkung. Dechant Heppekausen trifft auf der einen Seite ein, HJ-Siegkreisführer Hammelbeck auf der anderen. Im persönlichen Gespräch gerät man in Streit. Der Kirchenmann verweist auf das Konkordat Hitlers mit dem Papst. Der Nazi entgegnet: "Allein die Tatsache, dass die jungen Katholiken auftreten, ist ein Affront gegen den neuen Staat." Heppekausen ergreift öffentlich das Wort, packt die Grölenden an der Ehre. "Wenn Sie das Kleid des Führers tragen, dann machen sie dem Kleid des Führers in Ihrem Verhalten Ehre." Hammelbeck will - natürlich - erwidern, doch seine Rede geht im Lärm unter. Diesmal sind es die Katholiken, die den Radau veranstalten, um das braune Gestammel zu übertönen. Tumultartige Szenen, die HJ stimmt ein Kampflied an. Der Abend endet mit der traditionellen Gefallenenehrung. Zum Hauptteil, einem Theaterstück, kommt es aufgrund der Störung nicht.

29. Januar 1934: Diesmal geht die SS gegen die genannten Jugendorganisationen der katholischen Kirche vor. Vier Mitglieder der Schutzstaffel erklimmen den Michaelsberg, schlagen die Scheiben zu einem katholischen Jugendclub ein. Sie demolieren Tisch und Stuhl, es gibt Spuren einer Brandstiftung. In der Stadt weiß man, wer die Täter sind. Es passiert zunächst nichts. Bürgermeister Ley und Polizeikommissar von Braunschweig schützen die Schergen. Erst, als sich das Regierungspräsidium Köln einschaltet, werden zum Schein Ermittlungen aufgenommen und letztlich ein Kompromiss geschlossen. Der Schaden wird ersetzt, die Patres verzichten auf die Strafanzeige. 

23. Februar 1934: Bürgermeister Ley untersagt den Vortrag des Studienrats Rick über katholische Kunst mit der Begründung: "Das Thema hat für unsere Bewegung keine überzeugende Werbungskraft". Er ist sich sicher: Der Studienrat ist unzuverlässig, weil er bei der letzten Schulfeier das Horst-Wessels-Lied nicht mitsang und auf den deutschen Gruß nur "Heil!" erwiderte. Ley hat zwischenzeitlich Fakten geschaffen. "Hinzu kommt, dass ich diesen Vortrag als Antwort auf mein Verbot der katholischen Jugendverbände ansehen musss."

Die Akte führt auch die Opposition des Wolsdorfer Pfarrrektors von Weschpfennig auf, dessen Wände von der SA beschmiert werden. Bei der Reichstagswahl am 12. November 1933 hatte er, obgleich Katholik durch und durch, einen "Hier stehe ich und kann nicht anders"-Moment wie Martin Luther. Mehr dazu in der Frühjahrsausgabe der "65er Nachrichten"! 

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