vom 27.01.2022

Gescheiterte Auswanderung

Albert Berger wollte nach Palästina und starb in Auschwitz

Siegburg. "Ein Grab für ihn oder eine Todesurkunde gibt es nicht; er wurde amtlich für Tod erklärt". So endet ein Artikel aus dem Flensburger Tageblatt vom 9. November 2021 über das Holocaustopfer Albert Berger. Bernd Philipsen hat den Text verfasst, Journalist und Autor zahlreicher Bücher über jüdische Familien in Schleswig-Holstein.

Warum der Verweis in siegburgaktuell auf Deutschlands nördlichste Tageszeitung? Albert Berger, Jahrgang 1919, dessen Lebens- und Leidensweg Philipsen nachvollzog, kommt aus unserer Stadt. Sein Vater Sally ist ein Siegburger Viehhändler und Pferdemetzger in der Weierstraße 3, wie sich anhand alter Adressbücher aus den 1920er-Jahren nachvollziehen lässt. Sally Berger stirbt 1932. 

Alberts sechs Jahre älterer Bruder Adolf leitet als junger Mann ab 1935 die in der Holzgasse ansässige zionistische Hechaluz-Gruppe, bereitet darin junge Juden auf Palästina vor. Die Nazis tolerieren die Aktivitäten, nicht nur das Training in der Holzgasse, auch die Präparationen in einer ganz ähnlichen Ausbildungsstätte in der Siegfeldstraße 15c. Zunächst, das ist wichtig in diesem Zusammenhang, ist die Massen-Auswanderung die präferierte Lösung der NS-Machthaber in der sogenannten Judenfrage. Adolf Berger tut, was er lange plant: Am 26. Juli 1937 meldet er sich in Siegburg ab und zieht nach Palästina. Rechtzeitig, so möchte man im Nachhinein sagen. In den 1960er-Jahren lebt er in Kefar Yedyah, Israel. 

Ob Albert Berger bei seinem Bruder in die Lehre ging, wissen wir nicht. Wir wissen von seinem Wegzug im Sommer 1938 nach Flensburg. Sein Ziel ist das am Stadtrand der Fördestadt gelegene Gut Jägerslust. Hier übt er in der Obhut der Familie Wolff das Einmaleins des Bauernhofs auf sozialistischer Grundlage. Jägerslust ist ein frühes Kibbuz. Die vermittelten Fähigkeiten der Haus- und Landwirtschaft sollen in naher Zukunft nahe Tel Aviv oder Jerusalem zum Tragen kommen. 

Die Gewalt-Eskalation in der Pogromnacht trifft die Gemeinschaft mit voller Wucht. Die Jägerlust wird von einem Mob überfallen, dirigiert vom Flensburger Polizeipräsidenten und SS-Standartenführer Hinrich Möller. Die Schergen von Gestapo, SA und SS verwüsten die Gebäude, misshandeln die jungen Leute. Philipsen: "Die von Haus und Hof Vertriebenen sollten nie wieder zurückkehren." Albert Berger überlebt entbehrungsreiche Wochen in Sachsenhausen. Hinter Stacheldraht wird er zu Schwerstarbeit gezwungen, ist schutzlos der täglichen Schikane durch die KZ-Wärter ausgesetzt. 

Als er nach Wochen freikommt, flieht er nach Deventer in der niederländischen Provinz Overijssel. Er schließt sich erneut einer Gruppe Auswanderungswilliger an. Der Gang der Geschichte macht das Vorhaben Emigration endgültig zunichte. Nazideutschland besetzt die Niederlande. Berger gerät ins Sammellager Westerbork. Sein Transport nach Ausschwitz rollt am 14. September 1943. Philipsen: "Der Eisenbahnzug braucht zwei Tage, um die Todesfabrik in Polen zu erreichen. Berger wurde in dem Auschwitz III genannten KZ Monowitz, einem Lager mit Industiereinrichtungen, zur Zwangsarbeit eingesetzt. Dort starb der einstige Palästina-Pionier der Jägerslust am 19. Februar 1944 im Alter von 24 Jahren."

Foto (Ghetto Fighters' House): Albert Berger im Zwischenlager Westerbork.

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