vom 04.03.2021

125 Jahre Haftanstalt

Inspektoren in spe schreiben an Festschrift

Siegburg. "100 Jahre sind kein Grund zum Feiern" betitelt am 23. November 1996 die Rhein-Sieg-Rundschau einen Artikel zum Geburtstag der Siegburger Haftanstalt und greift damit die Rede des JVA-Leiters auf.  Dr. Wolfgang Neufeind verbittet sich und der versammelten Prominenz das Wort "Feier", bevorzugt die Formulierung  "Gedenkstunde". 

Ob Stephanie Schaden und Tobias Michaelis dieser semantischen Trennlinie größere Aufmerksamkeit schenken, ist unwahrscheinlich. Ihnen geht es um das "Was ist passiert?", eventuell auch um das "Warum ist es passiert?" Die beiden Regierungsinspektor-Anwärter sind mit der Fertigstellung der Festschrift betraut, die zum 125. Jubiläum des Siegburger Gefängnisses erscheinen wird. Im Archiv der Kreisstadt sahen sie in alten Zeitungsausschnitten nach, welche Berichterstattung in den letzten Jahrzehnten das öffentliche Bild ihres Arbeitsplatzes prägte. 

1971 kickt die Mannschaft des Bonner Bundestages gegen eine Knastauswahl, während draußen junge Menschen mit langen Mähnen für mehr Mittel in der Resozialisierung demonstrieren. Ob die Fordernden Erfolg hatten, ist im Rathaus nicht archivarisch überliefert, das Endergebnis der sportlichen Auseinandersetzung schon: Die Inhaftierten siegen 7:0. 

Mehr Zeit als im Protokoll vorgesehen nahm sich First Lady Hilda Heinemann bei ihrem Besuch 1972. Nach zahlreichen Gesprächen über veraltete Bestimmungen, über fehlende Sozialarbeiter und Akkordarbeit schnappt sie sich einen  Staatssekretär aus dem Begleittross und kündigt dem Justizministerium in Düsseldorf vielfältige Eingaben an: "Ich habe gehört und gesehen und werde sie mit diesen Problemen nicht mehr in Ruhe lassen." 

Im Jahr 2000 geht's wieder um Ballsport, diesmal ohne politische Sprengkraft. Christoph und Markus, die Beachvolleyball spielenden Söhne von Justizminister Jochen Dieckmann, schmettern auf dem in der Anstalt aufgeschütteten Sandspielfeld. 2006 ist ein Tiefpunkt in der Gefängnishistorie nach dem Krieg erreicht. Deutschlandweit machen die grausamen Details des Siegburger Foltermords Schlagzeilen. Die Tötung in der Zelle bringt eine Debatte in Gang, die um den Jugendstrafvollzug kreist, sich aber gleichzeitig mit jugendlicher Gewalt als Gesellschaftsphänomen beschäftigt. 

Zurück ins Jahr 2021. Zu einem Festakt hinter Gittern soll es im Herbst kommen. Ob dann das Jubiläum gefeiert werden kann, liegt weniger an der Interpretation des Wortes "Feier" als am Infektionsgeschehen.

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