vom 21.04.2020

Die Sieg als Weltkriegsfront

Helma Schmitz wurde drei Wochen vor ihren Siegburger Schulkameradinnen befreit

Siegburg. 21. März 1945. Die Amerikaner erreichen das Ufer der Sieg. Drei Wochen wird es dauern, bis sie über den Fluss setzen, um Siegburg einzunehmen. Ein Ort, in dem sie auf Nachschub warten, ist Menden. Auf dem "Mendener Berg" ist die 13-jährige Helma Schmitz, heute Rosenbach, zu Hause. Lesen Sie, wie die Schülerin des Siegburger Mädchengymnasiums das Ende des "Tausendjährigen Reichs", das zum Glück nur zwölf Jahre währte, schildert. Ein Bericht von der anderen Seite der Front.

"Zunächst will ich betonen, dass die letzten Mülldorfer und Mendener, die starben, dem Beschuss von deutscher Seite zum Opfer fielen. In der Stunde der Befreiung war ich allein zu Hause. Meine Mutter war mit dem Rad ins Dorf zum Mezger gefahren. Vater war an der Front, ich allein. Wir hatten keinen Strom, kein Wasser‚ keine Nachrichten. Wie weit ist der Ami? Das war das alles beherrschende Thema. Er war da! Von Westen, durch das Feld, rollten die Panzer auf uns zu. Ich habe mich nicht im Keller verkrochen, blieb auf der Straße, war neugierig.


Bald war ich in ein Gespräch mit einem Soldaten verwickelt, der mich, die ich ja schon drei Jahre Englisch in der Schule gelernt hatte, über die Gegebenheiten in Menden ausfragte. Er hielt mich dabei am Arm, aber ich habe die Situation nicht als bedrohlich empfunden. In diesem Moment kehrte meine Mutter mit dem Fahrrad wieder, sah mich in den Händen des Amerikaners und schrie. Ich musste sie beruhigen.

Die Amis haben sich dann in den drei der sechs Häuser am Mendener Berg eingerichtet, die zur Sieg hin lagen. Bald herrschte ein relativ vertrauter Umgang, ich kann mich auch nicht an größere Einschränkungen erinnern, wir spielten bei schönem Wetter häufig im Hof. In der Osternacht zum 1. April 1945 konnten wir nach Menden in die Kirche gehen, da war, soweit ich weiß, eine Waffenruhe ausgehandelt worden. Als wir zurückkamen, erfuhren wir, dass deutsche Soldaten just in dieser Nacht durchs Wasser auf unsere Siegseite geschwommen waren.

Ich wurde Augenzeugin einer ganz ähnlichen Szene. Ein deutscher Soldat kam uns durch den Fluss entgegen, an seiner Hand ein Jugendlicher, kaum älter als ich, der immer wieder verzweifelt rief, er wolle zu seiner Tante nach Bonn. Es stellte sich heraus, dass der Junge als Teil des Volkssturms eine Panzerfaust bedienen sollte, darüber so erschrocken und verängstigt war, dass er immer wieder nach seiner Verwandten im schon sicheren Bonn rief. Der Mann in Uniform nahm sich schließlich seiner an und wagte die halsbrecherische Aktion, den Befreiern entgegenzulaufen. Eilig wurden beide mit Hemden und Hosen aus den Schränken unserer Siedlung eingekleidet. Dann brachten die Amerikaner sie fort.

Ein Gerücht machte die Runde: Die Amerikaner erwarten neue Leute und neues Material, da wird in Kürze etwas passieren! Tatsächlich mussten wir unser Heim an der Front räumen, ganz Menden musste raus. Wir stellten uns die bange Frage, ob wir nun in die Gefangenschaft abgeführt werden und in einem Bergwerk in Frankreich arbeiten müssen. Man leitete unseren Treck zum wenige Kilometer westwärts gelegenen Kloster. In einem Stall hatten wir wenigstens ein Dach über dem Kopf. Drei Pferde standen in der Ecke und sahen verwundert auf uns, die neuen Mitbewohner. Was derweil an der Sieg lief, nämlich die Eroberung Siegburgs am 9. und 10. April, davon besaßen wir keine Kenntnis. 

Als wir schließlich zurückkehrten, waren die Amerikaner weg. Mit ihnen unsere Schreibmaschine. Jetzt war uns klar, warum die gesamte Zivilbevölkerung weggeschafft worden war. Im Rückblick scheint es unglaublich, dass ausgerechnet unsere kleine Sieg den entscheidenden Vorstoß im Weltkrieg um Wochen verzögerte."

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