Michaelsberg

Weltgeschichte auf der Fensterbank

Siegburg. Der Auszug aus der Schule Innere Stadt am Haufeld läuft. Das Stadtarchiv hat das Gebäude verlassen. Die Vereine packen zusammen. Aufbruchsstimmung vor dem Abriss. 140 Wohnungen werden gebaut.
Als sich der Arbeitskreis des Geschichtsvereins im Januar trifft, schwelgen gleich mehrere Teilnehmer in Erinnerungen. Hier habe ich in den 1960er-Jahren mit der Zuckertüte gestanden! Hier war mein erstes Klassenzimmer! Trotz des unwirtlichen Zustands kommen nostalgische Gefühle auf.
Wie denkt Abdelkarim über das Haufeld nach? Der Marokkaner gehört 2016 zu den Flüchtlingen, die in der Schule, die zu diesem Zeitpunkt längst aufgehört hat, Schule zu sein, einquartiert wurden. Beim Einräumen des Archivguts fällt der Blick auf einen losen Papierstapel, den der junge Mann auf der hintersten Fensterbank vergessen haben muss - sein Interview beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Januar 2017.
Wir können nicht anders, sehen hinein. Ein Tropfen Weltgeschichte, ein prägnantes Beispiel für das Zeitalter der Migration. Abdelkarims Angaben sind widersprüchlich. Verwirrend. Nicht nachzuprüfen. Wir wollen nicht werten, uns kein Urteil erlauben über Wahrheit und Lüge. Nur so viel: Für die deutsche Mehrheitsgesellschaft (wie immer sie aussieht), die Stunden mit der Wahl des passenden Urlaubshotels zubringen kann oder sich mit dem Nachwuchs um Bildschirmzeiten und TikTok-Videos streitet, ist ein solches Leben unvorstellbar.
Abdekerim wird 1992 in Marokko geboren. Arme Familie, der Vater krank und arbeitsunfähig, die Mutter Putzfrau. Er wächst beim Großvater auf. Nur vier Jahre Schule, Gelegenheitsarbeiter beim Nachbarn. Fenster kann er austauschen. "Kleine Sachen eben." Der Opa verkauft Kühe, damit er die 3.000 Euro, die der Schlepper für die Überfahrt des Enkels über das Mittelmeer fordert, aufbringen kann. Im November 2015 setzt er von Libyen nach Italien über. Ein Irrweg über Slowenien und Österreich und führt ihn nach München, dann ins Rheinland. Das ist die Route, die er dem BAMF-Mitarbeiter erzählt. Der stutzt. Er ist über Fingerabdrücke informiert, die Abdelkarim in Griechenland abgab. Der Asylsuchende räumt ein. "Ja, da war ich vorher. Dann bin ich krank geworden und nach Marokko zurückgefahren."
Dahin will er nicht zurück. Er hat Angst. "Die Polizei kommt abends um acht, schlägt zu, schickt uns ins Haus. Obwohl der König der reichste Mann der Welt ist, nimmt er das Geld von den Bürgen. Schicken Sie mich von mir aus nach Somalia."
Am 28. November 2018 wird er nach Marokko abgeschoben.
Foto: Nie entfernt wurden die arabischen und englischen Ordnungsregeln in der Schulküche. In der Flüchtlingskrise wurde gekocht. Zuletzt lagerten hier dreieinhalb Jahre Aktenordner.Siegburg. Der Auszug aus der Schule Innere Stadt am Haufeld läuft. Das Stadtarchiv hat das Gebäude verlassen. Die Vereine packen zusammen. Aufbruchsstimmung vor dem Abriss. 140 Wohnungen werden gebaut.
Als sich der Arbeitskreis des Geschichtsvereins im Januar trifft, schwelgen gleich mehrere Teilnehmer in Erinnerungen. Hier habe ich in den 1960er-Jahren mit der Zuckertüte gestanden! Hier war mein erstes Klassenzimmer! Trotz des unwirtlichen Zustands kommen nostalgische Gefühle auf.
Wie denkt Abdelkarim über das Haufeld nach? Der Marokkaner gehört 2016 zu den Flüchtlingen, die in der Schule, die zu diesem Zeitpunkt längst aufgehört hat, Schule zu sein, einquartiert wurden. Beim Einräumen des Archivguts fällt der Blick auf einen losen Papierstapel, den der junge Mann auf der hintersten Fensterbank vergessen haben muss - sein Interview beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Januar 2017.
Wir können nicht anders, sehen hinein. Ein Tropfen Weltgeschichte, ein prägnantes Beispiel für das Zeitalter der Migration. Abdelkarims Angaben sind widersprüchlich. Verwirrend. Nicht nachzuprüfen. Wir wollen nicht werten, uns kein Urteil erlauben über Wahrheit und Lüge. Nur so viel: Für die deutsche Mehrheitsgesellschaft (wie immer sie aussieht), die Stunden mit der Wahl des passenden Urlaubshotels zubringen kann oder sich mit dem Nachwuchs um Bildschirmzeiten und TikTok-Videos streitet, ist ein solches Leben unvorstellbar.
Abdekerim wird 1992 in Marokko geboren. Arme Familie, der Vater krank und arbeitsunfähig, die Mutter Putzfrau. Er wächst beim Großvater auf. Nur vier Jahre Schule, Gelegenheitsarbeiter beim Nachbarn. Fenster kann er austauschen. "Kleine Sachen eben." Der Opa verkauft Kühe, damit er die 3.000 Euro, die der Schlepper für die Überfahrt des Enkels über das Mittelmeer fordert, aufbringen kann. Im November 2015 setzt er von Libyen nach Italien über. Ein Irrweg über Slowenien und Österreich und führt ihn nach München, dann ins Rheinland. Das ist die Route, die er dem BAMF-Mitarbeiter erzählt. Der stutzt. Er ist über Fingerabdrücke informiert, die Abdelkarim in Griechenland abgab. Der Asylsuchende räumt ein. "Ja, da war ich vorher. Dann bin ich krank geworden und nach Marokko zurückgefahren."
Dahin will er nicht zurück. Er hat Angst. "Die Polizei kommt abends um acht, schlägt zu, schickt uns ins Haus. Obwohl der König der reichste Mann der Welt ist, nimmt er das Geld von den Bürgen. Schicken Sie mich von mir aus nach Somalia."
Am 28. November 2018 wird er nach Marokko abgeschoben.
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