Stadtgeschichte der Kreisstadt Siegburg

Ausstellung 16

Ausstellung 16

Der Herrengarten

 

Nur mehr der Straßenname erinnert an eines der besten und beliebtesten Lokale Siegburgs - den Herrengarten.

Heute steht das Finanzamt auf dem Areal, welches einst ein Garten des Abtes – eben der Herrengarten – war. Nach der Zwangsauflösung des Klosters im Zuge der Säkularisation 1803 wurde das Gelände versteigert. Ein Gastwirt erhielt den Zuschlag, baute und nannte das prächtige Anwesen "Kaiserhof". Der war über die Stadtgrenzen, auch bei den Bonner Studenten, beliebt. Ab 1820 finden sich in den Unterlagen das Stadtarchivs immer wieder Beschwerden der Anwohner,die "…wohl angezeigt haben, wie gestern Abend im Kaiserlichen Hofe dahier von Seiten der bönnischen Studenten störende Unordnung vorgefallen und sogar die anwesenden Gensdarmen mishandlet worden sind. …" Als besondere Attraktion hatte der damalige Wirt im Garten auch eine Schießbahn einrichten lassen. Hierzu findet sich auch eine interessante Protokollnotiz aus dem Jahre 1833: "Da es überdies nicht selten ist, dass ungeschickte Schützen weit über die Scheibe und die Gartenmauer her, in die Stadtmauer schießen [sie verlief dort, wo heute die Stadtmühle steht], oder die Kugeln von derselben auf die Passanten zurückprallen können – wie denn noch vor kurzem sogar nahe der Mühle welche gefunden worden sind, …" soll der Wirt die Gartenmauer erhöhen. Weitere Eigentümer, so Korte-Böger, folgten, die den Namen jeweils leicht veränderten, in "Kaiserlicher Hof und Garten" oder "Kaisergarten" etwa. Gegen 1850 wird dann das Lokal "Im Herrengarten" genannt, das "Im" verschwindet 1877. Die Lokalität erstreckte sich längs der Mühlenstraße / Ecke Herrengartenstraße. Sein großer, baumbeschatteter und bei allen Siegburgern beliebter Gastgarten erstreckte sich zur Mahlgasse hin. Korte-Böger: "Der Herrengarten besaß, wie alle guten Lokale der damaligen Zeit, einen großen Saal. Hier fanden viele Bälle und gehobene Gastlichkeiten statt." Der Herrengarten war das Lokal des Siegburger Turnvereins, des Dilettanten-Vereins – einer Laienschauspielgruppe – und der Esperanto-Gesellschaft, so dass neben dem üblichen Hotel- und Restaurantbetrieb "hier auch geturnt, geschauspielert und gelernt" wurde, so Korte-Böger. Fritz Treusch, langjähriger Inhaber des Herrengartens, konnte in seinen Lebenserinnerungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges noch einiges Interessantes berichten: "1915, erste Einquartierung, eine Kompanie Landsturm in Vierer-Kistenbetten im großen Saal (untergebracht). Weinzimmer war Offiziersbüro, Billardzimmer war Schreibstube, im Garten wurde die Feldküche aufgebaut, auch eine Latrine an der neuen Kegelbahn (eingerichtet). Im Gerätehaus war der Schweinestall, in der neuen Kegelbahn war die Kleiderkammer. … 1919 Einquartierung einer Kompanie Kanadier. Im Garten an der Mahlgasse wurde ein Graben ausgehoben, darüber wurden Balken gelegt, fertig war das WC - die Latrine war nicht hygienisch genug. Für die Mahlgassenbewohner bot sich freier Ausblick!"

Am 25. Dezember 1944 beim Bombardement des Siegburger Bahnhofes erhielt auch der Herrengarten die ersten Treffer. Drei Tage später, zusammen mit der Abtei und vielen Gebäuden am oberen Markt, versank der Herrengarten für immer in Schutt und Asche. Der Eigentümer, der Familienvater, der Mensch Treusch vor den Trümmern seiner Existenz, ein Foto aus dem Jahre 1945 ist das letzte Dokument.


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