Michaelsberg

Selbst die Stasi wusste nichts 

Siegburg. Am Anfang einer der spannendsten Geschichten, die die "alte" Bundesrepublik zu bieten hat, steht ein Orthopäde im beschaulichen Cochemer Stadtteil Cond. Er besitzt zwei miteinander verbunden Einfamilienhäuser am Moseltalhang, die er veräußern will. Die Bundesbank schlägt zu, macht aus den erworbenen Immobilien eine Schule. Jedenfalls nach außen hin. In Wahrheit ist die Institution am Berg hinter den Gebäuden interessiert.
Die Operation beginnt 1962. Es werden Stollen in den Schiefer getrieben. Regelmäßig ertönt das Signalhorn, das neue Sprengungen ankündigt. Die Nachbarschaft wird über den Bunkerbau in Kenntnis gesetzt, der, so die Erklärung, aufgrund der Finanzkraft der Auftraggeberin eben etwas größer ausfalle als gewöhnlich. Jedes öffentliche Gebäude hat rund um Mauerbau und Kubakrise einen Bunker, auch das ebenfalls in den 1960er-Jahren errichtete Siegburger Rathaus. Per se nichts Außergewöhnliches. Was niemand ahnt: Die eigentliche Funktion der Anlage ist nicht der Bevölkerungsschutz. Nach und nach wird Geld einer zweiten D-Mark-Serie eingelagert, das im Konfliktfall die Wirtschaft stabilisieren soll - als Absicherung gegen eine mögliche Falschgeldschwemme, die man im Zuge von hybrider Kriegsführung befürchtet.
15 Milliarden Deutsche Mark kommen bis 1972 zusammen. Der Umfang ist so groß, dass zwei Einrichtungen, neben der Berliner Bundesdruckerei das typographische Institut von Giesecke und Devrient in München, mit der Herstellung beauftragt werden. Von West-Berlin aus fliegt das Geld nach Frankfurt. Zu groß ist die Entdeckungsgefahr auf der Transitroute gen Westen. Per Auto wird die Einlage vom Rhein-Main-Airport an die Mosel gekarrt. Höchste Geheimhaltungsstufe, nur eine Handvoll Männer hat den Schlüssel. Der Speicher ist so topsecret, dass ihn selbst die Stasi nicht kennt. Zum Vergleich: Über den Regierungsbunker in Ahrweiler bringt Mielkes Mannschaft jedes Detail in Erfahrung.
Heute ist der Bunker ein privat geführtes Museum, das der Siegburger Geschichtsverein am Mittwoch besuchte und eine Menge Zahlen in Erfahrung brachte. Eine acht Tonnen schwere Tür schützte den an einen Archivkeller erinnernden Aufbewahrungsraum der Noten. 18.000 Liter Diesel wurden für Generatoren vorgehalten. 40.000 Liter Trinkwasser standen zur Verfügung. Im Ernstfall hätten 90 Anwohner und 70 Beschäftigte Platz gefunden. Einer Atomkatastrophe hätte die Anlage trotzdem nicht widerstanden.
Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bringt das Jahrhunderthochwasser an Weihnachten 1993 die temporäre Bunker-Renaissance mit sich. Das rasant anschwellende Moselwasser zerstört den Keller der am Ufer gelegen Volksbank, die nach einer Bleibe sucht und die unterirdische Infrastruktur nutzt. Dann stehen die Röhren länger leer. Wasser dringt ein, der bauliche Zustand wird immer bedenklicher, bis ein Unternehmer auf eigene Kosten Hand anlegt. Er renoviert das Relikt der bipolaren Ära, macht es zu einer Zeitreisedestination.
So stehen die Besuchergruppen Schlange, der WDR schickt die Maus am Türöffner-Tag vorbei, Lesungen und Konzerte werden veranstaltet. Und das ganze Geld? Bereits zum Jahreswechsel 1988/89 geschreddert und verbrannt.

Siegburg. Am Anfang einer der spannendsten Geschichten, die die "alte" Bundesrepublik zu bieten hat, steht ein Orthopäde im beschaulichen Cochemer Stadtteil Cond. Er besitzt zwei miteinander verbunden Einfamilienhäuser am Moseltalhang, die er veräußern will. Die Bundesbank schlägt zu, macht aus den erworbenen Immobilien eine Schule. Jedenfalls nach außen hin. In Wahrheit ist die Institution am Berg hinter den Gebäuden interessiert.

Die Operation beginnt 1962. Es werden Stollen in den Schiefer getrieben. Regelmäßig ertönt das Signalhorn, das neue Sprengungen ankündigt. Die Nachbarschaft wird über den Bunkerbau in Kenntnis gesetzt, der, so die Erklärung, aufgrund der Finanzkraft der Auftraggeberin eben etwas größer ausfalle als gewöhnlich. Jedes öffentliche Gebäude hat rund um Mauerbau und Kubakrise einen Bunker, auch das ebenfalls in den 1960er-Jahren errichtete Siegburger Rathaus. Per se nichts Außergewöhnliches. Was niemand ahnt: Die eigentliche Funktion der Anlage ist nicht der Bevölkerungsschutz. Nach und nach wird Geld einer zweiten D-Mark-Serie eingelagert, das im Konfliktfall die Wirtschaft stabilisieren soll - als Absicherung gegen eine mögliche Falschgeldschwemme, die man im Zuge von hybrider Kriegsführung befürchtet.

15 Milliarden Deutsche Mark kommen bis 1972 zusammen. Der Umfang ist so groß, dass zwei Einrichtungen, neben der Berliner Bundesdruckerei das typographische Institut von Giesecke und Devrient in München, mit der Herstellung beauftragt werden. Von West-Berlin aus fliegt das Geld nach Frankfurt. Zu groß ist die Entdeckungsgefahr auf der Transitroute gen Westen. Per Auto wird die Einlage vom Rhein-Main-Airport an die Mosel gekarrt. Höchste Geheimhaltungsstufe, nur eine Handvoll Männer hat den Schlüssel. Der Speicher ist so topsecret, dass ihn selbst die Stasi nicht kennt. Zum Vergleich: Über den Regierungsbunker in Ahrweiler bringt Mielkes Mannschaft jedes Detail in Erfahrung.

Heute ist der Bunker ein privat geführtes Museum, das der Siegburger Geschichtsverein am Mittwoch besuchte und eine Menge Zahlen in Erfahrung brachte. Eine acht Tonnen schwere Tür schützte den an einen Archivkeller erinnernden Aufbewahrungsraum der Noten. 18.000 Liter Diesel wurden für Generatoren vorgehalten. 40.000 Liter Trinkwasser standen zur Verfügung. Im Ernstfall hätten 90 Anwohner und 70 Beschäftigte Platz gefunden. Einer Atomkatastrophe hätte die Anlage trotzdem nicht widerstanden.

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bringt das Jahrhunderthochwasser an Weihnachten 1993 die temporäre Bunker-Renaissance mit sich. Das rasant anschwellende Moselwasser zerstört den Keller der am Ufer gelegen Volksbank, die nach einer Bleibe sucht und die unterirdische Infrastruktur nutzt. Dann stehen die Röhren länger leer. Wasser dringt ein, der bauliche Zustand wird immer bedenklicher, bis ein Unternehmer auf eigene Kosten Hand anlegt. Er renoviert das Relikt der bipolaren Ära, macht es zu einer Zeitreisedestination.

So stehen die Besuchergruppen Schlange, der WDR schickt die Maus am Türöffner-Tag vorbei, Lesungen und Konzerte werden veranstaltet. Und das ganze Geld? Bereits zum Jahreswechsel 1988/89 geschreddert und verbrannt.

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