Michaelsberg

Am Verfassungstag war kein Eisen zu heiß

Siegburg. Monsieur le président, damals Nicolas Sarkozy, war noch aufgeregter als sonst. "Oh la la, Angela. Wenn euer Verfassungsgericht zwischen uns und der Einführung von Eurobonds steht, dann schaff' es ab." Die Kanzlerin nahm die typische Echauffiertheit stoisch. "Nein, mein Lieber, das kann ich nicht."

Zum 75. Grundgesetzgeburtstag hatte das Rhein Sieg Forum den einstigen Saarlandesvater und langjährigen Verfassungsrichter Peter Müller (Foto) geladen. Ein Glücksgriff. Müller, seit Dezember kein Karlsruher mehr, genoss die Freiheit der Amtslosigkeit. Er erklärte, plauderte, witzelte. Alles auf einmal.

Die Stärke des Verfassungsgerichts, unvergleichbar auf der weiten Welt, untermauerte er mit eingangs geschilderter Szene. Im präsidialen Frankreich könne man sich nicht vorstellen, wie mächtig die Judikative bei den östlichen Nachbarn ausgeprägt ist. Der Saarländer erklärte die Funktion des Gerichts als einen umgekehrten Grenzschutz, bei dem nicht kontrolliert wird, wer über die Grenze eintritt, sondern wer die Grenze (des Grundgesetzes) verlässt. Zwar von der Politik ernannt, aber keine politischen Entscheidungen treffend - so die treffende Definition.
 
Müller packte mehr heiße Eisen an als jeder Duisburger Stahlarbeiter. Das Wahlrecht? Bitte nicht zum politischen Spielball werden lassen. Abtreibung und der Menschenrechtsartikel 1? "Es gab einen Kompromiss, mit dem keine Seite glücklich war. Aber er sicherte den gesellschaftlichen Frieden. Ich empfehle: Wenn man neu darüber diskutiert, dann sehr, sehr gründlich."

Parteiverbot der AfD? Langwierig und schwierig. "Ich habe mir in einem Akt der Selbstkasteiung das Parteiprogramm sowie die Schriften der Herren Krah und Höcke durchgelesen. Der Unterschied zur NPD ist offensichtlich. Die haben geschrieben, was sie sagten. Die AfD tut das nicht." Er rät offen vom Verbot ab, spricht sich stattdessen dafür aus, dass Demokraten mit offenem Visier ihren Feinden entgegentreten. Heißt auch, Meinungskorridore nicht zu klein werden lassen, Kontroversen aushalten. Die Demokratie sei eine mühevolle Veranstaltung. Frei nach dem Motto von Albert Camus: "Sisyphos war ein glücklicher Mensch."
 
Protest gegen Volksvertreter? Ja, aber im Rahmen. Die Bauernweisheit "Geht der Landwirt an den Strand, kommt der Habeck nicht an Land" sei definitiv kein agrarisches Grundrecht, sondern letztlich eine Straftat. Pessimums angesichts der festzustellenden Demokratiemüdigkeit? Müller versprüht das Gegenteil. Das Kürzel GG brachte uns die beste Zeit in der Geschichte unseres Landes. "Für die Gegenwart und Zukunft ist es kein Problem, es ist die Lösung."

Sein Auftritt wurde flankiert von Aktionen des Brachland-Ensembles, das an der Schnittstelle von Kultur und Politikvermittlung das Grundgesetz humorvoll, malerisch, literarisch und gemeinsam mit den Gästen lebendig werden ließ. Die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker trug Erhellendes aus der politischen Praxis in Berlin bei, wo man sich, das gilt besonders für die jeweiligen Regierungsparteien, notwendigerweise am Verfassungsgericht abarbeitet. Am Korrektiv Karlsruhe komme niemand vorbei. Und gerade deshalb gelte: Gut so!
 
Bürgermeister Stefan Rosemann verwies darauf, dass die Nähe zum Demokratie-Ort Bonn in Siegburg ein demokratisches Bewusstsein wachsen ließ. "Die politische Kultur ist weitgehend intakt. Und wir sind hoffungsvoll, dass das so bleibt." 127 Nationen sind in Siegburg zuhause. Das bringe aufgrund der Vielzahl der Hintergründe manche Herausforderung mit sich. "Letztlich sehen wir dadurch deutlich, welche Zugkraft das Grundgesetz hat."
 
Mit musikalischen Evergreens, vorgetragen von der Band Hausmarke, klang der Abend aus.

Siegburg. Monsieur le président, damals Nicolas Sarkozy, war noch aufgeregter als sonst. "Oh la la, Angela. Wenn euer Verfassungsgericht zwischen uns und der Einführung von Eurobonds steht, dann schaff' es ab." Die Kanzlerin nahm die typische Echauffiertheit stoisch. "Nein, mein Lieber, das kann ich nicht."

Zum 75. Grundgesetzgeburtstag hatte das Rhein Sieg Forum den einstigen Saarlandesvater und langjährigen Verfassungsrichter Peter Müller (Foto) geladen. Ein Glücksgriff. Müller, seit Dezember kein Karlsruher mehr, genoss die Freiheit der Amtslosigkeit. Er erklärte, plauderte, witzelte. Alles auf einmal.

Die Stärke des Verfassungsgerichts, unvergleichbar auf der weiten Welt, untermauerte er mit eingangs geschilderter Szene. Im präsidialen Frankreich könne man sich nicht vorstellen, wie mächtig die Judikative bei den östlichen Nachbarn ausgeprägt ist. Der Saarländer erklärte die Funktion des Gerichts als einen umgekehrten Grenzschutz, bei dem nicht kontrolliert wird, wer über die Grenze eintritt, sondern wer die Grenze (des Grundgesetzes) verlässt. Zwar von der Politik ernannt, aber keine politischen Entscheidungen treffend - so die treffende Definition. 

Müller packte mehr heiße Eisen an als jeder Duisburger Stahlarbeiter. Das Wahlrecht? Bitte nicht zum politischen Spielball werden lassen. Abtreibung und der Menschenrechtsartikel 1? "Es gab einen Kompromiss, mit dem keine Seite glücklich war. Aber er sicherte den gesellschaftlichen Frieden. Ich empfehle: Wenn man neu darüber diskutiert, dann sehr, sehr gründlich."

Parteiverbot der AfD? Langwierig und schwierig. "Ich habe mir in einem Akt der Selbstkasteiung das Parteiprogramm sowie die Schriften der Herren Krah und Höcke durchgelesen. Der Unterschied zur NPD ist offensichtlich. Die haben geschrieben, was sie sagten. Die AfD tut das nicht." Er rät offen vom Verbot ab, spricht sich stattdessen dafür aus, dass Demokraten mit offenem Visier ihren Feinden entgegentreten. Heißt auch, Meinungskorridore nicht zu klein werden lassen, Kontroversen aushalten. Die Demokratie sei eine mühevolle Veranstaltung. Frei nach dem Motto von Albert Camus: "Sisyphos war ein glücklicher Mensch." 

Protest gegen Volksvertreter? Ja, aber im Rahmen. Die Bauernweisheit "Geht der Landwirt an den Strand, kommt der Habeck nicht an Land" sei definitiv kein agrarisches Grundrecht, sondern letztlich eine Straftat. Pessimums angesichts der festzustellenden Demokratiemüdigkeit? Müller versprüht das Gegenteil. Das Kürzel GG brachte uns die beste Zeit in der Geschichte unseres Landes. "Für die Gegenwart und Zukunft ist es kein Problem, es ist die Lösung."

Sein Auftritt wurde flankiert von Aktionen des Brachland-Ensembles, das an der Schnittstelle von Kultur und Politikvermittlung das Grundgesetz humorvoll, malerisch, literarisch und gemeinsam mit den Gästen lebendig werden ließ. Die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker trug Erhellendes aus der politischen Praxis in Berlin bei, wo man sich, das gilt besonders für die jeweiligen Regierungsparteien, notwendigerweise am Verfassungsgericht abarbeitet. Am Korrektiv Karlsruhe komme niemand vorbei. Und gerade deshalb gelte: Gut so! 

Bürgermeister Stefan Rosemann verwies darauf, dass die Nähe zum Demokratie-Ort Bonn in Siegburg ein demokratisches Bewusstsein wachsen ließ. "Die politische Kultur ist weitgehend intakt. Und wir sind hoffungsvoll, dass das so bleibt." 127 Nationen sind in Siegburg zuhause. Das bringe aufgrund der Vielzahl der Hintergründe manche Herausforderung mit sich. "Letztlich sehen wir dadurch deutlich, welche Zugkraft das Grundgesetz hat." 

Mit musikalischen Evergreens, vorgetragen von der Band Hausmarke, klang der Abend aus. 

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