vom 28.04.2020

Verkalkte Meisterlei(s)tung

So viel altes Rom steckt in den Siegburger Kirchen

Siegburg. Sie war ein monumentales Bauwerk, eine technische Meisterleitung ihrer Zeit. Über 95 Kilometer führte die Wasserleitung der Römer das menschliche Lebenselixier aus der hohen Eifel nach Colonia. 20.000 Kubikmeter, das sind 20 Millionen Liter, flossen täglich durch diesen Frischwasserkanal. Die heutigen Städte Euskirchen und Brühl lagen an der Route, allein das Aquädukt über den Swistbach maß 1.500 Meter.

Historiker vermuten, dass die Einrichtung unter dem Ansturm der Franken ab 270 n.Chr. zerbrach. Als sich Rom zwischenzeitlich konsolidierte, versorgten sich die Kölner schon vornehmlich aus Brunnen. Aus der grandiosen Konstruktion wurde ein Steinbruch. Jahrhunderte später nutzten die mittelalterlichen Architekten der Romanik das antike Relikt, um an den begehrten "Rheinischen Marmor" zu gelangen.

Rheinischer Marmor, häufig auch als Aquädukt-Marmor bezeichnet, besteht aus der bis zu 30 Zentimeter starken Kalkschicht, die sich in der Leitung abgelagert hatte. Von diesem "Kalksinter", so die chemische Begrifflichkeit, sagt man, der Hl. Anno (1010-1075) habe ihn besonders geschätzt, weshalb man ihn in St. Georg zu Köln und St. Michael zu Siegburg findet. 

St. Servatius am Markt wuchert mit gleich vier stattlichen Kalksintersäulen im Marienwinkel auf der Nordseite. Laut Museumsmitarbeiterin Stefanie Kemp, die als Kunsthistorikerin Führungen durch Siegburgs Stadtkirche anbietet, gehören die Säulen aus dem "Marmor" heimischer Provenienz zu den stattlichsten überhaupt. 

Kalksinter aus dem Rheinland wurde im Hochmittelalter über weite Distanzen gehandelt. Heinrich der Löwe verbaute den Stein aus der römischen Wasserleitung im 12. Jahrhundert in seiner Burg in Braunschweig. Der Dom der dänischen Stadt Roskilde sowie die weltbekannte Kathedrale von Canterbury sind weitere Fundstellen. Dabei war Aquädukt-Marmor wohl ein Notbehelf. Karl der Große ließ um 800 noch echten italienischen Marmor aus Ravenna nach Aachen schaffen. Später wurden die Straßen unbrauchbar, der Transport über die Alpen nahezu unmöglich.

Wer mehr wissen will, besucht nach den Corona-Beschränkungen das Informationszentrum Römerkanal in Rheinbach. Dort fungiert Prof. Dr. Klaus Grewe als wissenschaftlicher Berater und Beisitzer. Auf einen seiner Aufsätze zum Thema, erschienen 1995 im Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises, stützten wir uns für diesen Artikel.  Foto: Links neben der Maria eine der vier fast zwei Meter hohen Kalksintersäulen.

Weitere Informationen

Madonnenfigur in St. Servatius

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