Historische Aufführungspraxis

Was ist das?

In den letzten drei Jahrzehnten hat sich, als Folge der in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts von Nikolaus Harnoncourt, Gustav Leonhard und anderen angestoßenen Bewegung der so genannten "Historischen Aufführungspraxis", sowohl das öffentliche Musikleben als auch die Musikerausbildung an den Musikhochschulen stark gewandelt.

Historische Aufführungspraxis bedeutet:

  • Verwendung historischer Musikinstrumente oder Nachbauten, passend zu den aufgeführten Werken
  • Quellenstudium als Basis für die Interpretation: Wie wurde in der Entstehungszeit einer Komposition musiziert? (Spieltechnik, Verzierungspraxis, Artikulation, Tempo etc.)
  • Verwendung der originalen Besetzung und Besetzungsstärke

Die "Historische Aufführungspraxis" hatte zunächst ihren Schwerpunkt in der Barockmusik als Gegenpol zum Musizieren der Kulturorchester und Solisten traditioneller Prägung. Regionale Schwerpunkte dieser auch "Alte-Musik-Bewegung" genannten Bestrebungen waren vor allem die Niederlande und England, in Deutschland hat sich Köln als "Alte-Musik-Zentrum" etabliert (Collegium Aureum Köln, Musica Antiqua Köln, der Cembalist und Fortepianist Andreas Staier).

Seit den 80er Jahren hat es mehrere Entwicklungen gegeben. Die "Historische Aufführungspraxis" eroberte zunehmend das Repertoire der Klassik und Romantik, also einer Zeit bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Die großen Orchester zogen und ziehen sich parallel dazu zunächst weitgehend vom Barockrepertoire, in der Folge auch von weiten Teilen des klassischen und mittlerweile tendenziell auch des frühromantischem Repertoires zurück. Zugleich überwanden sie ihre Scheu vor den Vertretern der „Historischen Aufführungspraxis“ und luden diese zu Konzerten und Aufnahmen ein; so wie diese sich der Arbeit mit nicht-historischen Ensembles öffneten. Namhafte Musiker traditioneller Prägung befassten sich mit Prinzipien und Erkenntnissen der "Historischen Aufführungspraxis" und ließen diese in die Arbeit mit ihren (modernen) Orchestern einfließen (Claudio Abbado, Sir Simon Rattle, Sir Andras Schiff). Hierfür hat sich der Begriff "historisch informierte Aufführungspraxis" im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert.

Aktuelle Situation und Ausblick

Für viele Musiker zählt das Quellenstudium mittlerweile zur täglichen Arbeit: sowohl die Arbeit mit Quellentexten zur Aufführungspraxis als auch das Studium der Quellen der von ihnen aufgeführten Musik (Manuskripte, Erstdrucke), um die in weit verbreiteten Notenausgaben tradierten Irrtümer oder Verlegereingriffe zu eliminieren und sich dem ursprünglichen Komponistenwillen so weit wie möglich anzunähern. Neue Urtextausgaben barocker, klassischer und romantischer Musik tragen dem Rechnung durch wissenschaftlich exakte Anmerkungen zur Interpretation (=Aufführungspraxis) und genaue Darlegung der Quellensituation, um dem Musiker ihre Quellenarbeit zu erleichtern und überhaupt erst zu ermöglichen.

Nahezu alle europäischen Musikhochschulen als die maßgeblichen Ausbildungsinstitute reagierten auf die beschriebenen Entwicklungen, indem sie Professuren für historische Instrumente, Studiengänge oder gar eigene Institute für "Historische Aufführungspraxis" oder "Alte Musik" einrichteten – wobei "Alte Musik" heute als Begriff bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts gilt.

Angesichts der Entwicklung, die das Internationale Musikleben seit Aufkommen der "Historischen Aufführungspraxis" genommen hat – die, ausgehend von der Barockmusik, in den letzten 3 Jahrzehnten die Zeit der Klassik und Frühromantik zunehmend dominierte – ist zu erwarten, dass das Musizieren auf modernem Instrumentarium und mit moderner Spielweise für diese Epochen in den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten zugunsten des Musizierens auf historischem Instrumentarium zurückgehen wird, so wie es heute bereits für barocke und weite Teile der klassischen Musik gilt.

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