vom 08.05.2022

Ehemalige Justizministerin kämpft gegen Judenhass

"Antisemitismus zündet leider immer"

Siegburg. Eine Position bekleiden, von der man gerne sagen würde: Völlig überflüssig! Seit 2019 hat Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein solches Amt. Sie ist Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen und sprach in dieser Funktion im Siegburger Stadtmuseum. Der Förderverein "Gedenkstätte Landjuden an der Sieg" hatte sie eingeladen. 

Um den Gedanken weiterzuspinnen: Noch sind die Aufgaben der Antisemitismusbeauftragen nicht obsolet. Um 50 Prozent sind gegen Juden gerichtete Straftaten von 2020 auf 2021 gestiegen. Der aufflammende Nahostkonflikt ist die Ursache, die Bilder brennender Israelfahnen vor der Synagoge in Gelsenkirchen sind in frischer Erinnerung. "Wann immer es zu Kampfhandlungen kommt, steigen bei uns die antisemitisch motivierten Straftaten."

Treiber des Judenhasses sind die Pandemie und die politische Extremisierung. Querdenker, Rechtsradikale, Verschwörungstheoretiker - in der Kakophonie der Meinungen, über die Sozialen Netzwerke gestreut, sei der Antisemitismus die verbindende Klammer. "Die Juden verdienen am Impfstoff", so lautet ein Unsinn, "sie lenken die Finanzströme, profitieren vom Virus, streben die Weltherrschaft an" ein anderer, nicht minder gefährlicher. Die 70-Jährige schlug den größtmöglichen Bogen: "Ob bei der Pest und der Hexenangst im ausgehenden Mittelalter oder heute in der Pandemie - die Juden werden als Verantwortliche herangezogen." Neu begegnete uns zuletzt die nur noch als abscheulich zu bezeichnende Impfgegner-Strategie, sich mit gelbem Stern und dem Schriftzug "ungeimpft" als Ausgestoßene zu stilisieren. Auch die städtische Facebookseite wurde im Dezember auf diese Weise verunglimpft, wir sperrten die Kommentarfunktion. 

Wie Abhilfe schaffen? In der Schule durch intensives Besprechen im Unterricht, in dem das Judentum nicht eins zu eins neben die anderen Weltreligionen gestellt werden kann, ohne die besondere Verfolgungsgeschichte zu berücksichtigen. Der Besuch naheliegender Gedenkstätten sei, so Leutheusser, absolut nötig: "Empathie braucht den lokalen Bezug." Erschreckend ist, dass 40 Prozent der Jugendlichen mit Auschwitz nichts verbinde. Auf ihre Initiative hin kümmern sich zwei speziell geschulte Lehrer als Antisemitismus-Fachkräfte um Aufklärung und Fortbildung von Kollegien in NRW. Noch nicht viel, aber ein Anfang, um Beleidigungen wie "Du Jude" auf dem Schulhof zu unterbinden. 

Ganz ähnlich sieht es bei den Staatsanwaltschaften im Land aus, in der auf Eingabe der einstigen Justizministerin neue Verantwortlichkeiten für die zunehmende Zahl von Fällen nach Paragraf 130 Strafgesetzbuch (Volksverhetzung, Holocaustleugnung) geschaffen wurden. 

Wissenschaftlich begleitete Projekte, die über ihren Schreibtisch in der Düsseldorfer Staatskanzlei gehen, widmen sich antisemitischen Baustellen im Gangsta-Rap und in der Fußball-Fanszene. "Das Thema zündet eben immer wieder", so das Resümee der Vortragenden.

Im abschließenden Gespräch mit dem Publikum wurde sie ihr dann gestellt, die Frage aller Fragen: Vorurteile reduziert man am besten durch das Kennenlernen von Angesicht zu Angesicht. Letzteres ist bei nur 200.000 Juden in Deutschland gar nicht leicht. Mag man meinen! "Meet a Jew" heißt das Begegnungsprogramm des Zentralrats der Juden. Dorthin über den Link.

Meet a Jew

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