vom 04.12.2021

Ein Blick auf die schwedische Insel Falsterbonäset

Im äußersten Südwesten

Teil 1: Siegburg. Heute nehmen wir Sie mit nach Schweden. Ganz im Südwesten des 1.500 Kilometer langen skandinavischen Landes schiebt sich Falsterbonäset wie ein Haken in die Ostsee. Die Halbinsel wurde im Zweiten Weltkrieg ihres Festlandanschlusses beraubt. Anfang der 1940er-Jahre verminte Nazi-Deutschland auch schwedische Hoheitsgewässer, obwohl sich die Skandinavier neutral positioniert hatten und das NS-Regime mit Eisenerz aus den Minen im Norden des Landes belieferten. Um den Seeweg zwischen West- und Ostküste aufrecht zu erhalten, baute das nordische Königreich einen 1.600 Meter langen Kanal durch Falsterbonäset. Spätestens, wenn sich die Zugbrücke öffnet, sind die 9.300 Einwohner von Ljunghusen, Skanör und dem Hauptort Falsterbo Insulaner.

Nicht nur für Schweden hatte das in kürzester Zeit vollendete Mammutprojekt elementare Bedeutung. Auch die Fähre, die die zu Dänemark gehörende Insel Bornholm mit der Hauptstadt Kopenhagen verband, nutze die Passage. Manch einer, der aus dem von Deutschen besetzten Land flüchten wollte, buchte die Reise, um sich mit einem Sprung von Bord in den 75 Meter breiten Kanal in die schwedische Freiheit zu flüchten.

Das große Kapital von Falsterbonäset ist die Natur, die jedes Jahr Touristen aus ganz Europa anlockt. Weite Teile stehen unter Schutz, umgeben wird die Insel von einem der größten marinen Reservate Schwedens. Im Sommer drängen sich Nordmänner und -frauen - Gäste vom "Kontinent" finden immer noch ein freies Plätzchen - an den kilometerlangen Stränden, die zu den schönsten des Landes zählen. Enger zusammen rückt man außerhalb dieser klassischen Reisezeit. Im Herbst lockt der Vogelzug - mehr als dreieinhalb Millionen Tiere, von der Blaumeise bis zum Seeadler, wurden allein in diesem Jahr auf ihrem Weg in den Süden gezählt. Erreicht die Tierwanderung ihren Höhepunkt, stehen Ornithologen Schulter an Schulter am Straßenrand. Ein besonderes Abenteuer lockt in den Wintermonaten: die zweieinhalb Kilometer lange Sandbank Måkläppen, von Februar bis Oktober Robben und Vögeln vorbehalten, darf betreten werden. Weiter nach Südwesten kommt man in Schweden nicht. Im Frühjahr richten sich die Ferngläser schließlich auf die Lagunen an der Westküste, in der Hoffnung, Tüpfelsumpfhuhn, Säbelschnäbler oder Rotschenkel bei der Jungenaufzucht beobachten zu können. 

Neben Vogel- kommen auch Kunstfreunde auf ihre Kosten. Mehr als 450 Originalabzüge von Irving Penn, Albert Watson oder Helmut Newton sind im "Photo Art Museum" ausgestellt. Und im Juli fiebern Freunde des Pferdesports während der "Falsterbo Horse Show" bei Dressur- und Sprungwettbewerben mit Nachwuchsreitern ebenso wie mit Weltmeisterschafts- und Olympiateilnehmern.

Warum wir Ihnen das alles erzählt haben? Weiterlesen!

Foto (Langer): Der Leuchtturm Falsterbo fyr wurde 1796 in Betrieb genommen. 400 Meter westlich liegt der älteste Leuchtfeuerplatz Schwedens, spätestens ab 1222 in Betrieb.

Teil 2: Beginnen wir den zweiten Teil unserer Geschichte an einem nasskalten Novemberabend im Rheinland. Es ist ein Zufallsfund, der Björn Langer, Mitarbeiter der Pressestelle im Siegburger Rathaus und absoluter Schweden-Fan, stutzen lässt. Bei der Nachbetrachtung des letzten Urlaubs entdeckt er den "Siegburgska vägen" in Falsterbo. Ja, Sie haben richtig gelesen und sicherlich auch richtig übersetzt: 630 Kilometer nördlich des Michaelsbergs ist eine Straße nach Siegburg benannt. Das Foto (Modéer) dient - trotz Rechtschreibfehler - als Beweis. Oder hat der "Siegburger Weg" gar nichts mit Siegburg zu tun?

Dass Falsterbo, ebenso wie der Nachbarort Skanör, im Mittelalter zu den wichtigsten Handelsplätzen im heutigen Südschweden zählte, ist Langer bekannt. Lässt sich also vielleicht eine Verbindung zu Siegburger Tonwaren herstellen? Erkundungen im heimischen Stadtmuseum bleiben ohne Erfolg. "Falsterbo? Nie gehört!"

Erfolgreicher verläuft die Anfrage bei der Gemeindeverwaltung von Vellinge, zu der Falsterbo seit 1974 gehört. Im Buch "Gatunam och vägnam i Skanör och Falsterbo" ("Straßennamen in Skanör und Falsterbo") von Lars Dufberg findet Stadtarchivar Emil Ahlbertz die Lösung: "Benannt nach der mittelalterlichen deutschen Stadt Siegburg, früher bekannt für ihre Steingut- und Tonwarenproduktion, die nach dem Dreißigjährigen Krieg endete. 'Siegburgerkrüge' - Weinkrüge aus Steingut - oder deren Scherben sind sehr häufig in mittelalterlichen Schichten zu finden, hauptsächlich in Falsterbo, in geringerem Umfang auch in Skanör."

Also tatsächlich: Eine Straße im Südwesten Schwedens, benannt nach der begehrtesten Exportware, die im mittelalterlichen Siegburg produziert wurde. Natürlich wollten wir mehr darüber erfahren. Sie auch? Dann weiterlesen!

Teil 3: Wie kommt ein "Siegburger Weg" nach Schweden? Eine erste Antwort hatte uns der Archivar der Gemeinde Vellinge gegeben. Doch wir wollten mehr wissen! Ein guter Anlaufpunkt schien das "Falsterbo museum", das sich der Geschichte des Ortes widmet. Die richtige Entscheidung. Ein aufschlussreicher Mailwechsel mit Bengt Modéer, dem Vorsitzenden des Museumsvereins, lässt uns tief in die Geschichte Falsterbos und des Siegburgska vägen eintauchen.

Modéer berichtet, dass der "Siegburgska vägen" seinen Namen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erhielt. "Damals wurde beschlossen, dass die Straßen im Südwesten von Falsterbo mit Anknüpfung an die Hanse und nach Hansestädten benannt werden sollten." Falsterbo und der nördlich gelegene Nachbarort Skanör entwickelten sich ab der Mitte des 13. Jahrhunderts zu den wichtigsten Handelsplätzen Skandinaviens, hier trafen sich Händler des von deutschen Kaufleuten gegründeten Bundes mit denen der konkurrierenden Knudsgilde. Der sogenannte Skånemarkt fand jährlich über drei Herbstmonate hinweg statt. Jeder Hansestadt war dabei ein bestimmter Bereich zugeteilt.

Siegburg war doch keine Hansestadt, werden Sie nun vermutlich einwenden. Und wir geben Ihnen Recht. Doch Siegburg vertrieb seine Töpferwaren über Köln. Die Domstadt gehört, wie Lübeck, die "Mutter der Hanse", zu den Mitbegründern des Handelsbunds. Dort, wo heute der "Siegburgska vägen" verläuft, feilschten im Mittelalter die Krämer aus der Travestadt. Ganz offensichtlich gehörten Tonwaren zu ihrem Angebot, die sie gegen das begehrteste Gut, das die Skandinavier zu bieten hatten, eintauschten: eingelegte Heringe. Die Glanzzeit des Handels in Falsterbo fällt auf das 15. und 16. Jahrhundert, der letzte Besuch eines Marktvogts - dieser kam übrigens aus Lübeck - datiert von 1674.

"Über Jahre hinweg wurden viele Krüge und Scherben aus Siegburg hier in Falsterbo, aber auch in Skanör, gefunden", berichtet Modéer. "In unserem Museum haben wir einen Mittelalterraum, in dem die Zeitspanne zwischen 1200 und 1600 mit in Falsterbo gefundenen Ausstellungsstücken und in Texten dargestellt wird. Bei Grabungen an der Schlossruine von Skanör fand man zwischen 1907 und 1909 sowohl Krüge wie auch Scherben aus Siegburg. Diese gingen an das Historische Museum der Universität in Lund." Auch im Historischen Museum der schwedischen Hauptstadt Stockholm sind Funde, die Siegburg zugeordnet werden, ausgestellt.

Doch mit dem Niedergang des mittelalterlichen Marktplatzes ist die Geschichte zum "Siegburgska vägen" noch nicht zu Ende erzählt. Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Schweden zu reisen. Besonders die Küsten waren beliebt, Skanör und Falsterbo jedoch nur schwer zu erreichen. So baute man eine Eisenbahn, die 1904 in Betrieb genommen wurde. Der Endbahnhof wurde dort errichtet, wo heute der Siegburgska vägen beginnt. Das Gebäude steht noch heute, Züge verkehren jedoch seit 1941, als der eingangs erwähnte Kanal gebaut wurde, nicht mehr. In einem Lagerhaus aus dieser Epoche, Magasinet genannt, informiert seit diesem Jahr eine Ausstellung über die Natur der Halbinsel.

Foto (Bengt Modéer): Der Mittelalterraum im Falsterbo museum.

Kontakt

Stadtverwaltung Siegburg
Nogenter Platz 10
53721 Siegburg

+49 2241 102-0
+49 2241 102-1284
rathaus@siegburg.de
https://siegburg.de

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