vom 02.06.2021

Wie die Juden zu ihren Nachnamen kamen

Aufschlussreicher Text aus dem Jahr 1928 erklärt es

Siegburg. Er stand im Range eines Stadtinspektors, war langjähriger Standesbeamter und passionierter Heimatforscher. Peter Gansen, 1962 im Alter von 80 Jahren gestorben, wurde wegen seiner umtriebigen "Grabungsarbeiten" in der Siegburger Geschichte eine stadtbekannte Figur. Die Siegburger hielten einen einprägsamen Spitznamen für ihn bereit. "Et Schwanenhälsje" nannten sie ihn ob seiner auffallend schlanken Verbindung zwischen Kopf und Rumpf.

Gansen untersuchte Details der Hexenverfolgung, kannte sich in der Siegburger Keramikproduktion des 15., 16. und 17. Jahrhunderts glänzend aus und war ein Erklärer des Judentums. Wie kamen die Juden zu ihren (Nach-)Namen? Dieser Frage geht er in einem Aufsatz nach, der 1928 in den Heimatblättern erschien. Das Annehmen von Namen nach christlichem Vorbild ist die Folge des Emanzipationsprozesses im 19. Jahrhundert. Wer Bürgerrechte bekommt, der braucht auch einen bürgerlichen Namen, so einfach ist die Gleichung. Gansen erläutert: "Noch bis 1845 bestand bei den Juden der Brauch, dem Kind den Vornamen seines Vaters, bei Mädchen vereinzelt sogar der Mutter, als Familiennamen beizulegen, wodurch dieser bei jeder Generation wechselte."

Ab 1845 werden Nachnamen zur Pflicht. Viele Juden lassen die bis dato geführten Beinamen - bisweilen minimal verändert - zu Familiennamen erheben. Der Kaufmann Mendel Levi macht sich vor der Siegburger Polizeiobrigkeit zu Mendel Levison. Die königliche Regierung, Abteilung des Inneren mit Sitz in Köln, drückt am 5. Juni 1846 den Erlaubnisstempel aufs Siegburger Papier.

Grundsätzlich sind die Juden frei in ihrer Namenswahl. Tabu sind jedoch Namen bekannter christlicher Familien. Häufig gewählt werden wohlklingende  Zusammenstellungen mit "Gold" oder "Silber" sowie blumige Komposita mit "Rosen", "Lilien", "Veilchen". In Siegburg wird aus Elias Levy Elias Fröhlich. Bemerkenswert: Die sechs Brüder Levy wählen jeder einen anderen Familiennamen, außer Fröhlich finden sich Bock, Leven, Levinson, Stern und Wolf. Die Aussage "Ich gehöre jetzt fest zur Mehrheitsgesellschaft" tätigt Isaac Abraham. Er nennt sich Isaac Bürger, kandidiert erfolgreich für den Stadtrat und schlägt die Brücke zwischen den Religionen. Nach ihm ist seit 2001 eine Straße auf der Zange benannt.

Noch einmal zurück zum Heimatforscher Gansen. Von einer antisemitischen Haltung kann in seinem 1928 publizierten Artikel nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Gegen das schleichende Gift, vom erstarkenden Nationalsozialismus und immer weiteren Kreisen versprüht, scheint er immun. Die Einebnung der rechtlichen Unterschiede zwischen Christen und Juden durch den Code Napoleon im Jahre 1810 kommentiert er folgendermaßen: "Mit einem Schlag wurde der schwere Bann gelöst, der auf den Juden lastete, jahrhundertelange Bedrückungen und Zurücksetzungen aufgehoben. Sie konnten endlich als freie Menschen aufatmen." Foto: Peter Gansen kurz vor seinem Tod.

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