vom 22.01.2021

Grammont kam vor Nogent

Bericht über eine deutsch-französische Freundschaft vor 840 Jahren

Siegburg. Heute ist deutsch-französischer Tag. Am 22. Januar 1963 beschlossen die früheren Erzfeinde mit dem Elysée-Vertrag eine Ära des Friedens. Nach vier mörderischen Kriegen in nur anderthalb Jahrhunderten ein einleuchtendes Ansinnen. Der grundlegende Richtungswechsel gelang. Kaum eine andere Beziehung zwischen zwei Völkern auf dieser Erde ist so intakt, kaum ein bilateraler Austausch auf politischem oder kulturellem Gebiet so eng. Wer im letzten Sommer das Treiben am Ärmelkanalstrand der Normandie betrachtete, der konnte zu dem Schluss kommen: Holzhäuschen statt Strandkörbe, Salamibaguette statt Schinkenbrötchen - aber ansonsten sind Cabourg oder Houlgate wie Norderney oder Fehmarn. 

Im Jahr nach der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags gründeten Nogent-sur-Marne und Siegburg eine bis heute gelebte Partnerschaft. Generationen von Schülern, Musikern und/oder Sportlern lernten vor den Toren von Paris französische Gastfreundschaft kennen. Die ersten Siegburger jedoch, die eine Art institutionelle Beziehung zu französischen Freunden eingingen - zu französischen Brüdern, um es treffender auszudrücken - waren die Mönche auf dem Michaelsberg. Das ist 840 lange Jahre her! 

Im Jahre des Herrn 1181 ist der Siegburger Abt Gerhard auf Südfrankreich-Tour. Zum Abschluss seiner Reise kehrt er im Kloster Grammont in der Diözese Limoges ein und schließt für seine Siegburger eine auf das gegenseitige Gebet bezogene Brüderschaft. Den Grammontensern eilt wie den Siegburger Benediktinern ein exzellenter Ruf voraus. Es heißt über sie: "Sie befolgen fast in allem die Regel der Zisterzienser, nur, dass sie noch strenger als diese sich des Fleischgenusses enthalten. Als Habit tragen sie eine braune Tunika und ein graues Skapulier, darüber nicht eine Kukulle oder Flocke, sondern einen nach vorne geöffneten Mantel. Sie sind wie Reklusen."

Die Gastgeber nutzen die Gunst der Stunde. Siegburg, das wissen sie, bewahrt wertvolle Schätze, Reliquien der heiligen Jungfrauen aus Köln. Und so ist im Bericht der gottesfürchtigen Franzosen überliefert, dass sie allesamt vor Gerhard auf die Knie fallen und um einige Überreste der Damen, die "um Christi Willen gemartert wurden", bitten. Gerhard lässt sich erweichen, gibt sein Einverständnis, lädt zum Gegenbesuch und hinterlässt bei seinem Weggang einen jauchzenden Konvent. Die Visite der Grammontenser lässt nicht lange auf sich warten. Über Köln, das sie rechtzeitig zu Palmsonntag bei peitschendem Hagel, Schnee und Eis erreichen, führt der Weg zum Michaelsberg. Der Abt empfängt per Friedenskuss, seine Gäste sind angetan vom "würdevollen Benehmen der dienenden Brüder", der "Regeltreue in Kirche, Klausur, Refektorium und Werkstätten". Ihnen fehlt es beim Essen an nichts, im krassen Gegensatz dazu leben die sie Beherbergenden äußerst sparsam. Im Reisebericht heißt es: "Übrigens wurde unser reich besetzter Tisch, wohl durch die Caritas entschuldigt, von der am Tisch der Brüder sitzenden Kargheit beschämt. Von dieser Kargheit hörten wir später noch mehr; wir konnten sie ablesen an den blassen, abgemagerten Gesichtern (...)."

Nach der Erneuerung der Gebetsverbrüderung kommt es zur Geschenkübergabe – die Jungfrauen wechseln den Besitzer. Der Abt übergibt "in tiefster Ehrfurcht den Leib der hl. Jungfrau und Märtyrerin Albina und den Leib einer anderen heiligen Jungfrau, deren Namen nur Gott weiß, deren Stirn aber die Spur des Martyriums trägt, nämlich eine Beilwunde". Die Weigereisten erhalten mehr, als sie sich in ihren kühnsten Träumen ausgemalt haben: "Einen Leib hatte er (der Abt) uns versprochen, aber zwei hat er uns geschenkt, nach Art hochsinniger Menschen, die mehr schenken, als sie versprechen."

Wer mehr lesen möchte, schreibt unter gav@siegburg.de an den Geschichtsverein und erhält den Aufsatz "Eine Reise französischer Mönche nach Köln, Bonn und Siegburg im Jahr 1181", publiziert von Karl Corsten 1930 in den Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein. Die wissenschaftliche Zeitschriftenreihe wird vom Stadtarchiv gesammelt.

Foto: Die Anfänge Siegburgs und das klösterliche Leben auf dem Michaelsberg werden in der Abteilung Abteigeschichte des Stadtmuseums veranschaulicht.

Kontakt

Stadtverwaltung Siegburg
Nogenter Platz 10
53721 Siegburg

+49 2241 102-0
+49 2241 102-1284
rathaus@siegburg.de
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